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Theologie für Laien?

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Es 1st nicht verwunderlich, daß die menschliche Existenznot heute unter vielen anderen Erscheinungen für den Katholiken auch ein neues Verhältnis zur Theologie heraufzuführen beginnt. Die Beziehung des Laien zur Theologie wurde durch eine 'n Reformation und Gegenreformation sich anbahnende Entwicklung immer mehr ge- stört. Dies geschah einerseits durch den Versuch der Säkularisierung der Theologie, andererseits durch Leugnung ihres Wissen- echaftscharakters. Praktisch freilich ist der Einfluß des Laien nicht zurückgetreten; man denke an die Versuche des Übergriffs der weltlichen Macht in die Rechtsbereiche der Kirche, die in Österreich im Josephinismus, einer Vorbereitung, seinen Folgen, einen gewissen Höhepunkt erreicht haben. Aber; in der Praxis ist auch der beherzte Eingriff der Laien viel früher geschehen, als etwa , ihr Interesse an der Theologie wachgeworden ist: verdiente Männer der Öffentlichkeit sind im österreichischen Kulturkampf an entscheidender Front gestanden. Daß aber das Interesse einer größeren Zahl der Laien sich über die apologetische Verteidigung des Glaubens hinaus der wissenschaftlichen Theologie zuwendet, ist, abgesehen von einer stillen Vorbereitungszeit, erst etwa seit ein bis zwei Jahrzehnten festzustellen. Diese begrüßenswerte Entwicklung geht gleicherweise von Seiten der Theologen und Priester wie auch der Laien aus und verspricht trotz manchen Gefahren ein durchaus erfreuliches Ergebnis. Man muß wohl immer wieder — so auch für diese Entwicklung — den in seiner Bedeutsamkeit immer stärker erkennbaren Ruf Pius’ XI. zur actio catholica heranziehen, um das neuerwachende kirchliche Leben tiefer zu begreifen.

In der Beantwortung der oben gestellten Frage kann man erstens feststellen, daß Theologen und Laien gleicherweise bemüht sind, die grundsätzliche Stellung des Laien in der Kirche zu klären. Praktisch wird immer mehr — bei aller notwendigen Betonung der hierarchischen Konstitution der Kirche — die Nähe zwischen dem Priester und dem Laien angestrebt. Als Kriterium für den Emst, mit dem sich die Theologie selbst für die Mitverantwortung der Laien am kirchlichen, am missionarischen Geschehen interessiert, sei auf den Ausbau bestimmter Kapitel der Dogmatik, Moral und Aszetik hingewiesen, etwa der Lehre vom „allgemeinen Priestertum“, von Taufe und Firmung, der „Ehetheologie", einer spezifischen „Laienaszese" und manches andere.

Zweitens sind von Seiten der Theologen her methodische Bemühungen er kennbar, eine stärker Beziehung der Theologie zum Leben und dadurch zum Laien sichtbar werden zu lassen. Dies äußert sich darin, daß man versucht, etwa die Anliegen des Existentialismus und der Phänomenologie zu sehen; dies war schließlich auch das Bemühen der „Verkündigungstheologie". Daß ein solches Unternehmen nicht auf das erste voll glückt, ja vielleicht nur in den praktischen Disziplinen der Theologie echt glücken kann, daß der reine Wissenschaftscharakter etwa der Dogmatik immer wieder vor den Gefahren, die Popularisierung mit sich bringt, bewahrt werden muß, ist naheliegend. Immerhin steht fest, daß das Verständnis des Laien für die Theologie um so wacher sein wind, je mehr er die Fruchtbarkeit der Theologie für die Lebensmeisterung einsieht.

Drittens kann man sagen, daß eine einheitliche Bemühung von Theologen und Laien ausgeht, eine Verbindung zwischen der Theologie und den profanen Wissenschaften herzustellen. Die Theologie kann in ihrem heutigen Stand verschiedener Profanwissenschaften für ihre eigene Wissenschaft nicht mehr entraten wie etwa der Philologie, der Geschichte, der Naturwissenschaften; andererseits wird von „Verbindungsmännern" sowohl in den Naturwissenschaften und noch mehr in den Geisteswissenschaften wie auch in Dichtung und Kunst ein theologischer Sinn wahrgenommen, von den eigentlichen Fachleuten der unhaltbare Absolutheitsanspruch der einzelnen Profanwissenchaften aufgegeben und die Möglichkeit metaphysischer und theologischer Erkenntnisse ausgespart. Es ist nicht verwunderlich, daß in diesem Bemühen billige Verkürzungen geschehen, die wieder überwunden werden müssen; aber man kann den Weg anerkennen, der sich da und dort still anbahnt und schließlich doch wieder in die Richtung einer universitas litterarum in einem neuen Sinn führen könnte.

Am sinnfälligsten und wirksamsten äußert sich die Begegnung von Theologie und Laie viertens in den dankenswerten Versuchen, den Laien praktisch an die Theologie heranzuführen. Fast gleichzeitig wurde dieser Versuch in literarischer wie mündlich unterweisender Form vor etwa 20 Jahren begonnen. In der Literatur hat man die Zeitfragen gehört, man hat die neue Fragestellung erspürt und ist auf die neue. Methode der Darstellung eingegangen. Im katholischen Raum erhoben sich eigenständige Gestalten, die dem neuen Geistesleben gewachsen waren. Erich Przywara unternahm es, die Problematik innerhalb der Theologie über den begrenzten Kreis des reinen Fachinteresses in das weitere Blickfeld christlicher Weltbetrachtung zu stellen. Romano Guar- dini begann, durch theologische Monographien, deren Lebensbezug leicht einsichtig wurde, in einer Art zu schreiben, die gerade die junge Generation ansprechen konnte; Peter Lippert kündete von dem Gott, der in alle Lebensbereiche und •Situationen des Menschen das entscheidende Wort hineinspricht. Vor zirka zehn Jahren kamen Bücher heraus, etwa mit dem Titel „Laien-Dogmatik“, „Laien-Moral“, „Laien- Pastoral“ usw. Ist dies auch in der titel- haften Verkürzung mißverständlich, denn es gibt nur eine Dogmatik, Moral für Priester wie für Laien, so wurde damit doch das Schwierige begonnen, das ehemals nur den Theologiestudierenden zugängliche, durch Jahrhunderte in ständig feineren Distinktionen ausgearbeitete Lehrgebäude der Kirche in einem Umfang, in einer Verständnisweise darzustellen, daß auch der Laie, der sich hauptberuflich anders beschäftigt, die nötige Kenntnis von der Theologie erhält, die ihn befähigt, seiner eigenen religiösen Situation wie auch dem Wirken nach außen die entsprechende geistige Grundlage zu geben.

In dieser Zeit beginnen auch die Versuche, die Laien über Katechismusunterricht und apologetische Schulung hinaus in den theologischen Disziplinen zu unterweisen. Es ist sicher kein Zufall, daß heute fast alle Bischöfe Österreichs ihren Diözesanen die Gelegenheit zu einem intensiven Studium der Theologie bieten. Am stärksten ausgebaut sind diese Bemühungen wohl in der Erzdiözese Wien, wo über ausdrücklichen Wunsch Kardinal Innitzer großzügige Einrichtungen Zu diesem Zweck geschaffen wurden. Eine der ersten Unternehmungen des Erzbischofs im Jahre 1945 war die Gründung der Katholischen Akademie, ein Gedanke, der während der Verfolgungsjahre durch eine reiche theologische Vortragspraxis vorbereitet worden war. Die andere Einrichtung ist das „Theologische Laienjahr", ein im Oktober jeden Jahres beginnender zweijähriger Ausbildungskurs in wöchentlich je zwei Abenden, der bereits 1940 im Erzbischöflichen Seelsorgeamt begründet wurde. Hier werden alle theologischen Disziplinen in sachkundiger Stoffauswahl und mit bewährter Lehrmethode von Fachtheologen in einer Weise doziert, wie es dem gebildeten Katholiken heute entspricht. Als Abschluß dieser Ausbildung Verleiht Seine Eminenz jenen geeigneten Hörern, die ihr solides Wissen durch Prüfungen in allen Fächern bekundet haben, die missio canonica, das heißt das Recht, alle einem Laien grundsätzlich möglichen Dienste im Verkündigungsauftrag der Kirche durchzuführen. 134 Laien sind bereits im Besitze dieses Rechts, bekannte und verdiente Männer und Frauen des öffentlichen Lebens, Univer- sitäts- und Mittelschulprofessoren, Lehrer, Menschen in der Wirtschaft, an diesem oder jenem Arbeitsplatz. Zahlreiche Kinder erhalten ihren Religionsunterricht in der Schule durch Laien. Konvertiten und Re- vertiten werden von Laien bis zur Taufe oder Wiederaufnahme geführt. Wenn man bedenkt, daß in diesem Jahr für die Erzdiözese Wien nur acht Weltpriester ausge- weiht werden konnten, im Monat der Weihe allein jedoch acht Seelsorgepriester starben, kann man unschwer die Verantwortung ermessen, die dem Laien in steigendem Maße zukommen wird,

Ebensosehr wie die Notwendigkeit des Laieneinsatzes in den Bereichen der Missionierung wie der eigentlichen Seelsorge ist aber die Tatsache zu betonen, daß nur der mit der Theologie tatsächlich vertraute Laie auf dem Gebiet der Verkündigung auf die Dauer Entsprechendes wirken kann. Manche Irrtümer, die „passieren“, wenn Laien aus ihrem eigenen Fachgebiet in das der Theologie übergreifen, mancher zu langatmige Leerlauf auf zu erprobenden Wegen, manche Huldigung an abwegige Systeme, dies alles wäre vermeidbar, wenn der Katholik sich darauf besinnen würde, daß er seine theologische Bildung auf den Stand seiner profanen bringen müßte, wenn jeder Forscher, Lehrer und Hörer bewußt und ausdrücklich den Wissenschaftscharakter der Theologie anerkennen würde. Manche rasch und oberflächlich gefällten Urteile über theologische Fragen würden unterbleiben, hielte man sich auch hier an die Vorsicht, die man in Urteilen über andere Wissenschaftsgebiete, in denen man nicht fachkundig ist, selbstverständlich beibehält. Was begreiflicherweise immer wieder zu solchen „Übergriffen" führt, ist die Nähe von Theologie als Wissenschaft und Religion als Lebenselement. — Viele Bemühungen um die Gewinnung der Jugend, der Arbeiter, der Gebildeten, der Kampf gegen Schmutz und Schund, die Vertretung christlicher Belange im öffentlichen Leben wären erfolgreicher, würde dem Willen zur Missionierung auch jeweils das entsprechende wissensmäßige Fundament zugeordnet ein.

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