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Theologie in Übersetzungen

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Jene Verlage sind keineswegs zu tadeln, die sich systematisch der Übersetzung und Veröffentlichung wertvoller ausländischer Werke widmen. Man sollte im Gegenteil solchen Verlagen eher dankbar sein, weil sie dadurch der theologischen Befruchtung dienen. — Besonders in den letzten Jahren hat dieses Bestreben zugenommen, und vor allem Laien haben sich auf diesem Gebiet große Verdienste erworben. Sie beherrschen nämlich nicht nur die Fremdsprachen (selbstverständlich auch die Muttersprache), sie sind zugleich theologisch gut bewandert.

Unter den Verlagen, die auf dem Übersetzungssektor besondere Leistungen vollbringen, steht der Matthias-Grünewald-Verlag in vorderster Linie. So wurde von diesem Verlag das grundlegende französische Werk des belgischen Benediktiners Thierry Maertens: HEIDNISCHJÜDISCHE WURZELN DER

CHRISTLICHEN FESTE in einer guten Übersetzung von Sigrid Loersch herausgebracht. Der Verfasser begnügt sich nicht mit einer rein religionsgeschichtlichen Darstellung der heidnisch-jüdischen Wurzeln der christlichen Feste, sondern entwik- kelt darin auch gewissermaßen eine Theologie des Festes. Er zeigt nämlich, in welchem Prozeßvorgang bereits das Judentum verschiedene heidnische Feste übernommen hat, indem es diese vergeistigte. Im Zuge dieser Vergeistigung wurden verschiedene Feste ausgeschieden, andere wieder beibehalten und vertieft, weil sie der Aktualisierung eines Heilsgeheimnisses dienten. In ähnlicher, aber erhabener Weise hat auch die Kirche gewisse heidnischjüdische Feste übernommen, vergeistigt und solcherart verlebendigt, daß sie als wirksame Mittel zum Gedächtnis der göttlichen Heilstaten und zu ihrer Wiederaktualisierung beitragen konnten. Die Übersetzung des Werkes ist eine recht gute, aber es wird dem Leser immer klarer, daß ein Übersetzer heutzutage auch andere Fragen lösen muß, die außerhalb des eigentlichen Übersetzungsbereiches liegen. Er muß die Frage lösen, ob er die Zitate und bibliographischen Hinweise des Originals einfach übernehmen oder diese für den deutschen Leserkreis adaptieren soll. Diese schwere Frage wird in manchen Fällen bereits vom Originalverfasser gelöst, wenn er in seinem Werk auch die deutschsprachige Literatur entsprechend berücksichtigt, was bei Maertens durchwegs der Fall ist. Dennoch kann man sich auch hier noch die Frage stellen, ob der Übersetzer nun auch wirklich jeden Hinweis auf ein französisches, englisches oder holländisches Werk übernehmen soll, wenn es sich nur um reine Belegstellen handelt, die höchstens nur ein vereinzelter deutschsprachiger Leser zur Kenntnis nehmen wird.

Ein weniger befriedigendes Beispiel ist das Werk von Pierre Grelot: MANN UND FRAU NACH DER HEILIGEN SCHRIFT, das der Grünewald-Verlag in der Übertragung von W. Bertram herausgebracht hat. Grelot zählt zu den besten französischen Exegeten. Bei allen Spezialkenntnissen weiß er den Überblick auf die ganze biblische Offenbarung zu bewahren und diese in einer sprachlich einmaligen Form allgemeinverständlich darzustellen. Im vorliegenden Werk behandelt er nach einem grundlegenden Kapitel über die Heiligung der Geschlechtlichkeit im alten Orient die in der biblischen Offenbarung niedergelegten Ansichten über Mann und Frau, und zwar unter Berücksichtigung der Entwicklung in der Lehre der Propheten, des nachexilischen Judentums und schließlich der neutesta- mentlichen Verkündigung. Auch hier wieder mußte sich der Übersetzer mit der Frage befassen, ob er sich mit der automatischen Wiedergabe der französischen Literaturangaben zufriedenstellen durfte. Eine Entscheidung ist schwierig und verlangt oft langwierige zusätzliche Arbeit, aber es ist auf jeden Fall klar, daß zum Beispiel das Werk von M. Eliade, „Traite d’histoire des religions“, nicht nach der französischen Originalausgabe zitiert werden darf, wie es hier geschieht, sondern daß die bereits seit 1954 bestehende Übersetzung „Die Religionen und das Heilige“ (Salzburg) angeführt werden muß. Auch werden altorientalische Texte nach französischen Übersetzungen angeführt, obwohl dafür doch die bekannte deutsche Ausgabe von Greßmann (AOAT) zur Verfügung steht. Dasselbe gilt für R. de Vaux’ „Les Institutions“, das schon lange in deutscher Übersetzung, „Das Alte Testament und seine Lebensordnungen“ (Freiburg), vorliegt.

Das Werk des Flamen Paul der Haes: DIE SCHÖPFUNG ALS HEILSMYSTERIUM (Band I) in der

Übersetzung von Hugo Zulauf, ebenfalls im Verlag Grünewald erschienen, hat tatsächlich eine Übersetzung verdient, weil es einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis des Schöpfungsgedankens im Sinne der Heiligen Schrift leistet. Der Verfasser hat mit Erfolg den Versuch unternommen, den traditionellen Traktat „De Deo Creatore“ aus seiner früheren, ausschließlich philosophischen Umklammerung zu befreien und die Heilswahrheit der Schöpfung im Licht der Offenbarungsgegebenheiten anzupeilen und zu durchleuchten. Auch hier läßt sich gegen die Übersetzung kaum etwas einwenden, nur wurde auf den deutschen Leser zuwenig Rücksicht genommen. Einmal wird zum Beispiel auf die „Erklärung der Canisius-Übersetzung“, ein anderes Mal auf die „Willibrord-Übersetzung“ verwiesen, aber nur wenige Benützer werden wissen, daß es sich hier um die neuere katholische Bibelübersetzung im niederländischen Sprachraum handelt, die zuerst von der „apologetischen Vereinigung Petrus Canisius“ betreut und später in revidierter Form von der katholischen Bibelstiftung „Sint Willibrord“ weitergeführt wurde. Schwerwiegender ist es, daß der Übersetzer dem Original entsprechend ständig auf Artikel aus dem niederländischen „Bijbels Woordenboek“ verweist, obwohl dieses Werk doch in der deutschen Bearbeitung von H. Haag und A. van den Born als „Bibellexikon“ seit 1956 vorliegt. Gewiß, die erforderliche Adaptierung verlangt zusätzliche Arbeit vom Übersetzer, der nicht nur die Fremdsprache und die Materie beherrschen, sondern auch noch die einschlägige Literatur kennen muß.

In dieser Beziehung verdienen zwei Werke besondere Erwähnung. Zunächst erschien von Yves Congar der erste Band DIE TRADITION UND DIE TRADITIONEN in der besonders guten Übertragung von Hildegard Simon-Roux, ebenfalls bei Grünewald. Für das Verständnis der heute noch umstrittenen Frage über das Verhältnis zwischen Schrift, Überlieferung und Lehramt ist dieses Werk unerläßlich und eine wahre Fundgrube. Der Verfasser hat die Arbeit des Übersetzens sehr erleichtert, weil er selbst die reichhaltige deutsche Literatur herangezogen hat, so daß die Übersetzerin diese Angaben nur zu übernehmen brauchte.

Ähnliches gilt für Bėda Rigaux: PAULUS UND SEINE BRIEFE. Der Stand der Forschung in der guten Übertragung von August Berz, im Kösel-Verlag erschienen. Der Verfasser, der zu den besten Neu- testamentlern Belgiens zählt und der das Werk französisch geschrieben hat, beherrscht die internationale Literatur so souverän, daß eine Bearbeitung oder Ergänzung für die deutschen Leser kaum notwendig war. Das besonders wertvolle Buch informiert ganz ausgezeichnet über

den heutigen Stand der Paulusfor- schung, vor allem aber führt es eine neue Einteilung der verschiedenen neuzeitlichen Schulen der Paulusfor- schung durch und kann so zum Beispiel den genauen Standort eines Bultmann, Schmithals, Cullmann und anderer angeben. Interessant ist ferner die Feststellung, daß nach den früheren katholischen Paulusbiogra- phien heute noch keine neue Syn-

these vorliegt. Auch seien die früher so bedeutsamen Werke eines Mei- nertz oder Prat jetzt nicht mehr das Ideal einer paulinischen Theologie.

Als Endergebnis dieser Übersicht ließe sich sagen, daß manche Übersetzungen zwar Unzulänglichkeiten aufweisen, die jedoch eine gewisse Nachsicht verdienen. Wichtig ist vor allem, daß diese wertvollen Werke einem breiteren deutschsprachigen Leserkreis zugänglich gemacht wurden, dem sie sonst verschlossen geblieben wären.

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