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Über die Funktion der Werbung

Werbung
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Betrachten wir heute die Welt, so wie sie sich uns täglich darbietet, so werden wir — darauf aufmerksam gemacht — sehr bald feststellen, daß wir nicht zuletzt auch einer Welt der Werbung gegenüberstehen. Täglich werden neue werbende Absichten verdolmetscht, es wird für Waren geworben, für Ideen und Auffassungen, es wird die sogenannte „öffentliche Meinung“ mehr oder minder unaufhörlich mit werbenden Impulsen durchströmt. Es ist klar und naheliegend, daß gerade durch den Fortschritt der Technik, insbesondere der Verkehrs- und Nachrichtentechnik, diese werblichen Absichten eine unerhörte Breiten- und Massenwirkung mit sich gebracht haben. Millionenbeträge werden überall in der Welt für Werbezwecke aufgewendet, darüber hinausgehend werden aber auch unmeßbare Energien schöpferischer, ja auch seelischer Art in den Dienst der Werbung gestellt, so daß es mehr als natürlich erscheint, dieses schier unübersehbare Kräftefeld der Werbung auch wissenschaftlich zu durchleuchten.

Betrachten wir das Kräftespiel der Wirtschaft unserer Zeit, so erkennen wir, daß die Werbung in vielen Fällen das Vorfeld des Wirtschaftens bedeutet, also elementarer, Träger des Vorauswirtschafte n s ist. Was liegt näher, als anzunehmen, daß gerade werbliches Denken in der Wirtschaft in besonderem Maße berufen erscheint, alles produktive Denken und Planen des Wirtschaftens zu fördern.

Die Werbung hat im Dienste der produktiven Wirtschaft grundlegend drei Aufgaben zu erfüllen:

Die systematische P/lege der innerbetrieblichen Werbung;

die ebenso planmäßige außerbetriebliche Werbung, die vielfach reine Absatzförderung bezweckt;

die sogenannte good-will-Werbung, also jene Werbung, die imstande ist, den Ruf des Unter-So wirbt man in Oesterreich

Seit 2 I Furche Nr. 44 31. Oktober 1953 nehmens systematisch zu fördern und auf weite Sicht hin über Berg und Tal der Leistung oder des Absatzes hinweg Sparkapital des Firmenrufes aufzuspeichern.

Aufgabe der innerbetrieblichen Werbung ist es im besonderen, nicht allein der Leistungssteigerung zu dienen, sondern zunächst vielmehr den Willen zur Leistung auszulösen, und zwar im ethisch vertretbaren Sinne des unternehmerischen Zieles.

Die außerbetriebliche Werbung umfaßt alle jene Mittel und Methoden, die imstande sind, die Leistung und Haltung des Unternehmens nach außenhin im Interesse des unternehmerischen Zieles nicht nur bekannt zu machen, sondern — so weit als möglich — in gewinnender Form beim Umworbenen zur tiefliegenden Ueber-zeugungsbildung hinzuführen.

Die good-will-Werbung hat schließlich — wie bereits erwähnt — die primäre Funktion, im Rahmen eines Werbeplanes den Firmenruf lang anhaltend zu unterbauen und ständig in Wirksamkeit zu halten.

Die zeitlose Funktion der Werbung überhaupt ist es, so lange zwischen Menschen und ihren Leistungen Wettbewerb besteht, durch sinngemäße Konsumnäherung am Spannungsausgleich von Angebot und Nachfrage mitzuwirken.

Zunächst scheint es mir — gerade vom Standpunkt der innerbetrieblichen Werbung her gesehen — von unerläßlicher Bedeutung, zu den bereits traditionell gewordenen rationalen Methoden der Produktivität die scheinbar irrationalen, sagen wir ruhig, die geistig-seelischen Beziehungen etwa im Rahmen eines „seelischen Nachziehverfahrens“ mit der gleichen Intensität aufzubauen.

Wir hören und lesen gerade in den letzten Jahren viel von Public-Relations und Human-Relations, wir hören und lesen sehr viel von den neuen Bestrebungen inner- und außerbetrieblicher Art, die menschlichen Beziehungen zum produktiven Wirtschaften zu pflegen, es fehlt aber i— allem Anschein nach — noch immer die zu-sammenfassende, auch wirtschaftswissenschaftlich unterbaute Organisation, in der all diese Probleme wohlgeordnet zur Wirkung gelangen können.

Wir sagen — vom Werblichen kommend —, daß fachliche Leistung mit persönlicher Haltung verbunden sein muß, wenn die optimale Wirkung der im Betrieb zusammengefaßten Arbeitsgemeinschaft erreicht werden soll.

Die Kenntnis richtiger Menschenbehandlung, richtiger Menschenführung im Betrieb in sinngemäßer Koordination mit bestmöglicher Fachkenntnis und Leistung, stellt eben ein erstrebenswertes Ziel für die produktive Wirtschaft dar.

Wenn es uns gelingt, jeden unserer Mitarbeiter • mit dem Sinn des Unternehmens, mit dem ethisch vertretbaren Genalt unserer Arbeit im Rahmen des Betriebes zu erfüllen, so wandeln wir damit nicht etwa auf überschwenglichen Pfaden des Wirtschaftsromantikers, sondern das sind vielmehr Probleme unserer Zeit, die dringend einer Lösung zugeführt werden müssen. Wenn es uns gelingt, vom Verantwortungsträger des Unternehmens an der Spitze bis zum rangtiefsten Mitarbeiter, eine sinngemäße Koordination von Leistung und Haltung im Rahmen des Betriebsinhaltes und Betriebssinnes zu erreichen, so sind wir wohl unbestritten auf dem besten Wege dahin, auch außerbetrieblich zur Bestwirkung zu gelangen. Das ist eben eines der zeitgemäß richtigen Werbemittel, die wir besitzen, nämlich die werbende Betriebsatmosphäre, die sich nicht im Schall und Rauch von angelernten Höflichkeitstiraden erschöpft, sondern vielmehr kraft ihres echten Gehaltes erlebnishaft dem Umworbenen gegenüber in Erscheinung tritt.

Die Werbung beginnt nicht etwa nach Fertigstellung des serienreifen Produktes, nein, die verbrauchernahe Werbung setzt — im Sinne des absatzwirtschaftlichen Denkens — bei der Lieferantenwerbung ein und begleitet den Weg der Ware vom Rohstoff bis zum Letztverbraucher.

Das ist keine unwirkliche Auffassung, sondern ine praktische Maßnahme, wie wir sie schon vielfach in fortschrittlichen Unternehmen des In-und Auslandes bemerken können. Natürlich sind solche Fälle sehr davon abhängig, ob die Persönlichkeit des Werbeverantwortlichen die entsprechende Bildung und Reife besitzt. Hat ein Unternehmen aber das Glück, eine auch fachlich unterbaute werbende Persönlichkeit zu besitzen, so soll sie diese „hegen und pflegen“ weil sie nicht zuletzt imstande ist, dem*Unter-nehmen anerkannte und umfassende Produktivität fördern zu helfen. Denn das ist die souveräne Stellung des Werbefachmannes im Betrieb, daß er kraft seiner Schulung imstande sein kann, Repräsentant der Verbrauchermeinung im Betrieb zu sein.

Vom Standpunkt der Werbung aus kann eine Wirtschaft — im Grunde genommen — nur dann produktiv sein, wenn sie sich auch zweckentsprechenderweise der vielfältig wirksamen Werbung bedient. Etwa nach dem Satz: Werbung bringt Erfolg, und jeder Erfolg wirbt!

Jede produktive Initiative oder Strömung im Unternehmen drängt nicht zuletzt auf ihrem Wege zum Verbraucher oder Käufer zur Anwendung werbetechnischer Methoden. Kein Unternehmen, gleich welcher Art, kann sich nämlich den unbezahlbaren Luxus erlauben, ohne systematischen Kontakt mit der öffentlichen Meinung, auf dem Gebiete der besonderen wirtschaftlichen Interessen, zu bestehen. Die Werbung ist also- in jedem Falle dazu berufen, den Sinn und das Verständnis für die unternehmerische Initiative in der Richtung einer möglichen Produktivitätssteigerung zu wecken, zu pflegen und ständig wirksam zu erhalten.

Der immer komplizierter werdende Wettbewerb am Weltmarkt führt jeden vorauswirtschaftenden Unternehmer zwangläufig dazu, seine Waren oder Diensdeistungen nicht nur in konventioneller Qualität und Form dem Markt anzubieten. Im Gegenteil, er muß sich unaufhörlich in schöpferischer Weise darum bemühen, die Qualität seiner Leistung von der Substanz bis zur Form bestwirksam hochzuzüchten. Was für die Materie der Ware gilt, trifft in gleichem Mate für die Form des .Angebotes zu. Der Produktivitätssteigerung in der Warenerzeugung steht demgemäß in gleicher Notwendigkeit die Leistungssteigerung im Absatz gegenüber. Es ist daher kein leerer Wahn, von Super-Service dem Käufer gegenüber zu sprechen. Super-Service stellt nicht mehr und nicht weniger dar. als ein leistungsmäßiges „Nachziehverfahren“ des Absatzes und der damit verbundenen Werbung. Jeder Ware und jeder Leistung kann ein werbendes Plus zugeordnet werden. Aufgabe des einfallsreichen, schöpferischen Unternehmers oder Werbers muß es im jeweiligen Falle sein, dieses werbende Plus in Qualität und Leistung aufzuspüren, um die höchstmögliche Wettbewerbsreife zu erreichen.

Der Verbraucher ist an betrieblichen Mehrleistungen im Interesse der Qualitätsmehrung viel mehr interessiert, als dies oft den Anschein hat. Ja, es gibt Unternehmungen, die ihre ganze Werbekraft auf die umfassende Bekanntmachung ihrer betriebsbedingten Mehrleistung aufbauen. Das schafft Vertrauen. Damit wird eben die Grundlage für die echte Ueberzeugung geboten. Das heißt, daß wir uns viel mehr, als oft wahrnehmbar, im Sinne des Vorauswirtschaftens darum kümmern müssen, die Möglichkeiten der werbenden Wirkung zu Ende zu denken, ja, sie bis zur Neige auszuschöpfen.

Ein klassisches Beispiel dabei bietet uns immer wieder die Leistung der Markenartikelindustrie. Der Markenartikel selbst gibt beredtes Zeugnis für diese Auffassungen ab. Eine Ware, zunächst anonym gefertigt, erhält durch die werbebewußte Haltung des Unternehmens nicht nur in der Substanz, sondern auch im praktischen Gewicht, in der griffigen Form und in der fluidal wirksamen Verpackung die höchstmögliche Verkaufsreife und darüber hinausgehend auch noch den Stempel der unternehmerischen Persönlichkeit in der Form des vertrauensbildenden Markenzeichens oder Markennamens.

Werden diese Voraussetzungen erfüllt, so bietet sich dem Markt eine Ware in absolut wettbewerbsreifer Form dar. Jetzt, in diesem Stadium, ergibt sich die weitgehende Notwendigkeit, den Weg zum Verbraucher und seinem Kaufentschluß intensiv und überzeugender zu gestalten, als dies etwa in konventioneller Form geläufig ist. Dieser Weg führt über die modernen Methoden der Werbetechnik bis zur psychologisch fundierten Umsatzbildung als letzter Station im Kreislauf der Wirtschaft.

Es wäre wider den Sinn der naturgegebenen Funktion der Werbung, sie im Dienste der produktiven Wirtschaft lediglich als motorisch wirksamen Katalysator zu betrachten. D i e Werbung hat vielmehr, diszipliniert in einem organischen Weltbild der Wirtschaft, die verpflichten de Aufgabe, das Natürliche zu tun, Menschen als Bedarfsträger im Bereich der Wirtschaft in ihren Erwartungen sinngemäß zu koordinieren. Werbung so gesehen, bedeutet also nicht neurotisch wirksamer Unruheträger, erfüllt mit modischem Getue sondern vielmehr mit natürlicher Gelassenheit reiner Vitalität, geladener Energieträger wahr* haft produktiver Wirtschaft.'

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