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Unromantische Mittelstandspolitik

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DER EIGENUNTERNEHMER IN WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK. Von Johannes Messner. Sammlung Pollteia, Veröffentlichungen des Internationalen Institut für Sozialwissenschaft und Politik, Universität Freiburg/Schweiz, herausgegeben von Utz, Bd. XVII. F.-H.-Kerle-Verlag. Heidelberg-Verlag E. Nauweiaerts, Löwen, 1964.

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DER EIGENUNTERNEHMER IN WIRTSCHAFTS- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK. Von Johannes Messner. Sammlung Pollteia, Veröffentlichungen des Internationalen Institut für Sozialwissenschaft und Politik, Universität Freiburg/Schweiz, herausgegeben von Utz, Bd. XVII. F.-H.-Kerle-Verlag. Heidelberg-Verlag E. Nauweiaerts, Löwen, 1964.

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Wer eine Apologie des Mittelstandes sucht, wird von diesem Buch ebensowenig begeistert sein wie jene, die Mittelstandspolitik mitleidig als sozialen Firlefanz romantischer Utopisten betrachten. Beiden bleibt Messner die Erfüllung ihrer Wünsche schuldig; er bietet ihnen dafür, neben einer methodisch klaren, leidenschaftslosen, rein rational orientierten Analyse des heutigen Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschehens, sehr weitreichende Ansätze zu einer ökonomisch fundierten gesellschaftspolitischen Ordnungspolitik, die sich voll und ganz einem freiheitlichen Gesellschaftsmodell unterordnet. Aus der Fülle des Materials seien einige Gedanken skizziert:

Messner legt klar, daß heute die Wirtschaftspolitik die entscheidende Handhabe zur gesellschaftlichen Ordnungspolitik bietet. Aus der Würde des Menschen, die heute vielleicht das einzige allgemein anerkannte Prinzip ist, leitet er die drei ordnungspolitischen Grundprinzipien ab: die Freiheit als auf sittliche Pflichten und sittliche Verantwortung bezogenes Recht; das Gemeinwohl als die allseitig verwirklichte Gerechtigkeit und die eigenverantwortliche Wahrnehmung ihrer Interessen durch die volkswirtschaftlichen Leistungsgruppen in Unterordnung unter das Gemeinwohl. Die als Ordnungspolitik erkannte gesellschaftliche Strukturpolitik ist notwendigerweise an Wertzielen orientiert. „Der in der freien Gesellschaft maßgebende Wert kann nur das allseitig die Forderung der Menschenwürde verwirklichende Gemeinwohl sein, daher ist die Gerechtigkeit das Richtmaß für die Funktionsordnung des Gesellschaftsprozesses, kraft deren allen Gesellschaftsgliedern die vollmenschliche Existenz ermöglicht wird: die Existenz nach den Forderungen der humanen Werte“ (S. 46).

In den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt Messner den die mittelständische Wirtschaft bestimmenden Eigenunternehmer, worunter er jeden versteht, der Produktiveigentum in dem von ihm selbständig, auf eigenes Risiko geführten Unternehmen einsetzt. Die Förderung des Eigenunternehmers sei zunächst ein staatliches Erfordernis. „Ein entscheidendes Bollwerk gegenüber den der wirtschaftlichen Großorganisation anhaftenden und anderen Kollektivisierungstenden-zen vmit ihren Gefahren für die freiheitliche Gesellschaft bildet der auf Freiheit und Eigeninitiative bedachte Unternehmungsgeist der Millionen mittlerer und kleinerer Unternehmer in allen Wirtschaftszweigen ...“, wogegen „die Manager der Großunternehmen in einer kommunistischen Wirtschaft genauso ihre Funktion haben wie in der freiheitlichen Gesellschaft“ (S. 54). Auch aus eigentumspolitischen Motiven sei eine Mittelstandspolitik geboten, da das selbständige Produktiveigentum seiner Natur nach gemeinwohlgebunden sei: „Nur dadurch, daß es im Wettbewerb eingesetzt ist und sich durch volkswirtschaftliche Produktivität legitimiert, kann es bestehen“ (S. 56).

Die mittelständische Wirtschaft diene überdies am besten der als reines Rationalprinzip verstandenen volkswirtschaftlichen Produktivität. „Ist das Einzelinteresse die bewegende Kraft in diesem Wirtschaftsprozeß, so wird, wenn kraft des Wettbewerbs den Gesellschaftsgliedern das vorteilhafteste Angebot von Gütern und Diensten zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zur Verfügung steht, offenbar auch das beste Gemeinwohlinteresse erzielt“ (S. 101 f). Nur weitestgestreu-tes Produktiveigentum ermögliche einen zweckrichtig funktionierenden Markt. Überdies bedeute weitest gestreutes Produktiveigentum Streuung von Herrschaftsmacht und stelle damit die stärkste Alternative gegen die Allzuständigkeit und Allmäohtigkeit des Staates dar. Messner folgert daher: „Mag die weitgestreute Vermögensbildung der abhängig Beschäftigten gesellschaftspolitisch aus vielerlei Gründen höchst wichtiges Ziel der Eigentumspolitik sein, die weiteste Streuung des Produktiveigentums ist ungleich wichtiger, weil an sie die Ordnungsgrundlagen des freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsprozesses selbst gebunden sind, nämlich seine Funktionsordnung und seine Strukturordnung“ (S. 108). Auch wachstumspolitisch sei die Förderung des Eigenunternehmers geboten.

Mittelstandspolitisch komme der wirtschaftlichen Stabilität große Bedeutung zu, da die „Mittelwirtschaft“ sowohl durch die Inflation-Übernachfragespirale als auch durch die schleichende Inflation und die mangelnde Institutionalisierung der von allen gesellschaftlichen Gruppen gegenüber dem Allgemeinwohl zu wahrenden Verantwortung bedroht werde. Allerdings müsse der Eigenunternehmer die Härte des Wettbewerbes auf sich nehmen. „Denn der Wettbewerb ist unbequem, die ihn bedingende Freiheit verpflichtet die Unternehmerschaft ebenso zu wirklicher Leistung wie das Gemeinwohl den Staat verpflichtet, gleichheitliche Voraussetzungen für den Freiheitsgebrauoh zu schaffen“ (S. 106). Ein wirtschaftspolitisches Konzept nach dem Produktivitätsprinzip sichere daher gerade für den Mittelstand die besten Wachstumschancen. Abgebaut müsse allerdings das Streben nach Erhaltung überkommener Betriebsformen und des noch „ausreichenden“ Einkommens werden. Subventionierungen seien nur schädlich. Zu verbessern sei die Selbsthilfe des Mittelstandes durch Kooperation und der Selbstschutz durch Zusammenschluß zu Verbänden. Mittelstandspolitik sei daher zu einem wesentlichen Teil Ausbildungspolitik. Auch für die Zukunft räumt Messner der mittelständischen Wirtschaft gute Chancen ein. sofern die zentrale Kraft, die Unternehmerinitiative, entsprechend eingesetzt wird. „Die tatsächlichen Wirklichkeiten ... lassen nur Lösungen mit harten Anforderungen zu“ (S. 146).

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