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Verkündigung durch den Film?

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Wo immer eine Idee sich verleiblicht, da kann es füglich nicht anders sein, als daß Breiten- und Tiefenwirkung in Widerstreit miteinander geraten. Soll die eine erzielt werden, so geschieht dies entscheidend auf Kosten der anderen. Der dem Diesseits verhaftete Mensch, dessen unscharfes Auge nur die Oberflächenwirklichkeit zu erblicken imstande ist, mag ungetrübte Freude empfinden ob der sichtbaren Erfolge, die der von ihm vertretenen Sache beschieden sind. Der Gläubige hingegen wird nicht mit Unrecht argwöhnen, daß der Sieg, den das Heilige im Raume dieser Welt erstreitet, nur allzu teuer mit der Verfälschung von dessen ureigenstem Wesen erkauft sein könnte. Nicht zufällig haben darum immer wieder gerade solche, die mit ihrem Christsein radikal Ernst zu machen gewillt waren, sich zum Verzicht auf eine extensive Entfaltung ihrer geistlichen Kräfte getrieben gefühlt, und sicherlich ist die uns Heutigen geschenkte vertiefte Einsicht in die unaufhebbare Spannung zwischen Christentum und Kultur dazu angetan, einem frommen Isolationismus den Weg zu bereiten. Allein in ihm als der vermeintlich gebotenen Form christlicher Existenz verharren zu wollen, hieße in verhängnisvoller Weise die Pflicht zu missionarischem Handeln verabsäumen. Wo diese in ihrer zwingenden Gewalt erkannt und gelebt wird, da ist kein Raum mehr für eine Apotheose der Innerlichkeit, da erwägt man nicht mehr behutsam-ängstlich, ob und inwieweit die Mittel der Verkündigung dieser selbst kongruent sein mögen. So hat denn die Kirche von Anbeginn an in der Siegesgewißheit jenes apostolischen „Alles ist euer“ Mächte, die bislang fernab vom Evangelium standen oder gar ihm entgegengewirkt hatten, in ihren Dienst genommen. 'Sie tut es heute wieder, indem sie — ein wenig spät vielleicht — ihre Aufmerksamkeit dem Film, ehedem wie in unseren Tagen ein Tummelplatz vielfältiger Dämonien, zuwendet und die in ihm beschlossenen Möglichkeiten sich zu eigen macht.

Über solches wagende Beginnen der österreichischen Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen, war Sinn und Ziel der Internationalen Festwoche des religiösen Films, die in der Zeit vom 24. April bis 1. Mai in Wien stattgefunden hat. Wir vermerken mit freudiger Genugtuung die starke Beteiligung weitester Bevölkerungskreise an ihren Veranstaltungen, sind dankbar für die Stimmen der Kritik, die laut wurden, in ihren Anliegen und Forderungen mannigfach differie-

rend, und doch darin einig, daß fast ausnahmslos in künstlerischer Hinsicht Höchstwertiges geboten wurde. Der Notwendigkeit einer ins einzelne gehenden Besprechung der aufgeführten Filmwerke enthebt uns die Tatsache, daß über sie in den Spalten der „Furche“ bereits eingehend berichtet worden ist. An ihre Stelle mögen im Rahmen dieser rückschauenden Betrachtung einige grundsätzliche Bemerkungen treten.

Zunächst: Inaugurator der Veranstaltung war die Katholische Filmkommission. Aber indem der höchste Würdenträger der katholischen Kirche in Österreich und der führende evangelische Geistliche dieses Landes gemeinsam den Ehrenschutz übernahmen, indem Redner aus beiden konfessionellen Lagern zu Wort kamen, Filme katholischer wie evangelischer Provenienz zur Aufführung gelangten, gestaltete sich die Festwody zu einer eindrucksvollen und erhebenden Manifestation gesamtchristlichen Wollens. Dergleichen ist heute kein Novum mehr. Nicht Zweckmäßigkeitserwägungen haben diese Veränderung im gegenseitigen Verhältnis der christlichen Kirchen heraufgeführt, nicht die Bereitschaft zu unwahrhaftigen und darum notwendigerweise unfruchtbaren Kompromissen sie entstehen lassen. Es gilt vielmehr, was der evangelische Bischof Dr. May in seinen vielbeachteten Eröffnungsworten gesagt hat: „Das Christentum steht unter dem Generalangriff einer säkularisierten Welt, und die beiden Konfessionen finden sich zu gemeinsamer Abwehr. Noch wichtiger erscheint mir aber, daß man einander gefunden hat in einer besseren und tieferen Erkenntnis, als es seit vierhundert Jahren möglich var." Die dogmatische Kontroverse, einst die fast ausschließliche Form wechselseitiger Begegnung, mußte zwangsläufig zu einer Versteifung der bestehenden Gegensätze führen. Im Bewußtsein christlicher Verantwortlichkeit vereint in Angriff genommene praktische Aufgaben schlingen ein Band herüber und hinüber; es in Hinkunft immer fester zu knüpfen, wird nicht zuletzt auch verheißungsreiches Anliegen der Arbeit am religigösen Film sein.

Zweitens: Diese selbst steht — wir sagen es, ohne uns durch eine solche Feststellung die Freude über das gelungene Werk irgendwie schmälern zu lassen — noch durchaus in ihren Anfängen. Was diesmal zur Anschauung gebracht wurde, war die Sendung der Kirche, Schutzwehr des Friedens für eine der Friedlosigkeit und Verelendung anheimgefallene Welt zu sein („Krieg dem Kriege"), war ihr heroisches karitatives Wirken („Monsieur Vincent“), war jener aus verborgenen Quellen gespeiste christliche Optimismus, der nicht irre wird an der Gottesebenbildlichkeit auch des Verwahrlosten, und es beglückend erfahren darf, daß seinem Mühen Erfolg beschieden ist („Boys Town"). Schließlich, ungeachtet der schreienden Gegensätz-

lichkeit in der Formgebung ihrem Ideengehalt nach eng verwandt „Der Verfolgte“ und „Das Himmelsspiel“: hier das Hohelied des „Allein aus Gnaden", dort die Gestalt eines Mannes, dessen Werthältigkeit die Feuerprobe des Martyriums herausläutert aus den Schlacken menschlich-allzumenschlicher Armseligkeit. — Was weithin vermißt wurde, war ein Bild chritlich geprägter und verklärter Alitagswirklichkeit in Familie und weltlichem Beruf. Vielleicht wäre eine solche Vergegenständilichung in sonderlicher Weise berufen und befähigt, Zeugnis abzulegen von der Herrlichkeit eines Lebens in und aus Gott, stärker noch als das leuchtende, aber zugleich von vornherein als unerreichbar und darum letztlich doch nicht verpflichtend empfundene Vorbild religiösen Heldentums, stärker auch als der tiefe Sinngehalt einer freilich oft vieldeutigen Symbolhaftigkeit.

Endlich: In dem eben geltend gemachten Wunsche findet, bewußt oder unbewußt, ein entscheidendes Anliegen seinen Ausdruck. Was dem christlichen Film zuvörderst not tut, ist Schlichtheit und Klarheit. Der Beschauer soll es erspüren, daß das, was vor seinem Auge entsteht, nicht eine Welt de Scheins, sondern der Wirklichkeit ist. Einer Wirklichkeit freilich, die, weil sie im Jenseits gründet, mit den .Mitteln menschlicher Seelenkunde niemals begreifbar gemacht werden kann. Wo man dies außer acht läßt, wo das psychologische Moment aus der Randstellung, die ihm gebührt, in den beherrschenden Mittelpunkt tritt, ist Sinn und Ziel des christlichen Films verfehlt. Denn dessen ureigenste Aufgabe heißt: Verkündigung. Verkündigung will gehört sein, der Film wendet sich seinem Wesen nach in erster Linie an das Auge. Die in dieser Diskrepanz sich offenbarende letzte Problematik des christlichen Films ist der ganzen Christenheit auferlegt. Daran, ob diese ihrer Herr zu werden vermag, entscheidet sich Zukunft und Schicksal des christlichen Films — nein, der Welt des Films überhaupt, die einzig durch' sie vom Fluche des Illusionismus erlöst werden kann.

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