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Versäumter Protest

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Unwahr ist, daß Österreichs Jungsozialisten Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit nicht überall dort verteidigen, wo sie gefährdet sind.

Unwahr ist, daß die sozialistischen Studenten zwar gegen die amerika-, nische Vietnampolitik und den Militärputsch in Griechenland, nicht aber gegen die glatte und eindeutige Provokation, wie sie Nassers Blockade des Golfs von Aka'ba darstellt, protestieren.

Unwahr ist, daß die junge „Linke“, die sich zum Pazifismus bekennt, nicht jeden Krieg, auch den sogenannten „Heiligen Krieg“, zu dem der ägyptische Minister für religiöse Angelegenheiten aufgerufen hat, verurteilt.

Unwahr ist, daß die zornigen jungen Intellektuellen Revanchismus, Militarismus und Neofaschismus nur in der Bundesrepublik wiedererwachen sehen, nicht aber in der offen bekundeten Absicht Nassers, „Palästina zurückzuerobern, um die fortgesetzte Bedrohung des arabischen Volkes zu beenden. Denn jetzt ist die Zeit gekommen, in der sich die Träume der ägyptischen Truppen endlich erfüllen.“

Unwahr ist, daß sich die „Linke“ nicht jederzeit und überall für die friedliche Koexistenz der Mächte dieser Welt einsetzt und jede systematische Kriegshetze im Goebbels-Tonfall verurteilt, wie sie Nasser nun seit Wochen betreibt, um seine Truppen auf die von ihm zugegebenermaßen seit langem vorbereitete „bewaffnete Konfrontation mit Israel“ vorzubereiten.

Unwahr ist, daß die „Linke“, und nicht nur die in Österreich, Aggressionen mit Imperialismus und Imperialismus mit den USA identifiziert und damit für einen augenfälligen Fall von Aggression, wie ihn Ägypten der Welt vorführt, offenbar blind wird.

Unwahr ist, daß die „neue Linke“ mit diesem Verhalten ins Schlepptau der kommunistischen Weltpresse gerät, die den Frieden im Nahen Osten selbstverständlich nicht durch Nasser, sondern durch die „drohende Intervention der 6. Flotte der USA“ und die ausgesprochen „künstliche Dramatisierung der Atmosphäre (nein, nicht durch Nasser) durch den Sicherheitsrat der UNO“ gefährdet sieht.

Unwahr ist schließlich, daß Österreichs „Linksintellektuelle“ das Beispiel der französischen Intellektuellen, deren Sympathien bekanntlich häufig den Kommunisten gehörten, befolgten und sich ebenso klar dazu bekannten, daß Israel nicht, wie es die kommunistische Presse erfolglos versucht (auch die „Volksstimme“ folgt getreulich den offiziellen Parolen), mit dem imperialistischen aggressiven Lager zu identifizieren ist, sondern daß es im Nahen Osten nur einen Aggressor und eine Bedrohung des Weltfriedens gibt — Nasser.

Wahr ist vielmehr, daß vor der ägyptischen Botschaft bis jetzt keine Demonstrationen der sonst so Protest- und demonstrationsfreudigen „Linken“ stattfanden.

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