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VON NEUEN BUCHERN

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Zu dem Buche von Alexander Novotny: „Staatskanzler Kaunitz als geistige Persönlichkeit". Verlag Brüder Hollinek, Wien. 224 Seiten

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Zu dem Buche von Alexander Novotny: „Staatskanzler Kaunitz als geistige Persönlichkeit". Verlag Brüder Hollinek, Wien. 224 Seiten

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Wenzel Anton Fürst Kaunitz-Riet- berg 1711 bis 1794 begann seine außer-, ordentliche Laufbahn im Reichshofrat 1735, wurde, kaum daß er dreißig Lebefisjahre überschritten batte, bereits in besonderen Missionen ak bevollmächtigter Minister in Turin 1742, in Brüssel 1744 verwendet, war Vertreter Maria Theresias beim Friedenskongreß zu Aachen 1748 und Gesandter in Versailles 1750 bis 1752, seit 1753 bis zu seinem Tode 1794 als Minister und Staatskanzler der wichtigste und einflußreichste Berater Maria Theresias, Kaiser Josephs II., Leopold II. und Franz II. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts in Österreich ist also mit diesem Mann engst verbunden. Das ist die Zeit der Neugestaltung des Staatswesens, der entscheidenden Neuorientierung des Verhältnisses Österreichs zu Europa, der großen Verwaltungsorganisation im Sinne des zentralistischen Machtstaatsgedankens, die Zeit der Aufklärung und des praktischen Rationalismus, also die Periode größter und folgenschwerster politischer und geistiger Umwälzungen, der Grundlegung des modernen Österreich. Man sollte meinen, daß eine an äußerem und inneren Geschehen so überaus reiche und vielseitige Epoche das regste Interesse der österreichischen Historiographie gefunden hätte, wie es etwa der Zeit Friedrichs II. in der deutschen Geschichtsforschung beschieden war. Das ist aber nur teilweise der Fall. Im allgemeinen ist man über die älteren Werke von Arneth und P. v. Mitrofanow nicht viel hinausgekommen, außer vielleicht in der Erforschung des Josephinismus, auf die sich in letzter Zeit das Interesse konzentrierte Winter, Valjavec. Die Quellen zur inneren Verwaltungsgeschichte liegen zwar in tadelloser Ausgabe vor Walter, aber sie harren noch einer systematischen Auswertung. Die große Synthese, das große umfassende moderne Geschichtswerk dieser Zeit ist noch nicht geschaffen. Doch muß man für jeden Beitrag dankbar sein, der die zahlreichen noch dunklen Stellen dieses Geschichtsbildes aufhellen hilft. Ein solcher ist die vorliegende Studie.

Die Arbeit Novotnys will nur eine Seite der Persönlichkeit des Staatskanzlers beleuchten und gewiß nicht die stärkste. „Er hat im geistigen , Leben seiner Zeit niemals die Richtung angegeben oder gar ausschließlich bestimmt. Aber er hat den geistigen Gehalt seines in jeder Hinsicht so reichen und interessanten Jahrhunderts fast völlig in sich aufgenommen — ihm wobl nicht vorausgearbeitet, aber —, in ihm gelebt wie nur irgendeiner." Damit ist die Stellung des Fürsten im kulturellen Leben gekennzeichnet. Er ist in dieser Hinsicht mehr der Repräsentant einer Zeit als ihr Gestalter. Der rationalistische Rechner und Systematiker, der kühle Organisator und Reformer, der Freigeist, der französischen Kultur und Aufklärung tief verhaftet, ist doch immer zuerst Staatsmann, und wenn er als Mäzen und Förderer von Kunst und Gelehrsamkeit auftritt, wie er es in großem Maßstab getan hat, dann spielen staatsmännische Motive ebenso eine Rolle wie etwa Bildungstrieb und aristokratische Lebensauffassung, echtes Interesse und Mode. Der Sohn eines tschechisch-österreichischen Vaters und einer norddeutschen Mutter ist seiner geistigen Form nach Europäer, wie ja auch die geistige Neugestaltung Europas aus Rationalismus und Aufklärung eine übernationale europäische Erscheinung darstellt. Seine Soaatsauffassung entspricht durchaus diesen geistigen Voraussetzungen, indem sie den Staat nach rationalistischen Grundsätzen zu organisieren und die Staatspolitik nach den Forderungen einer ebenso rationalistischen Swatsraison zu orientieren sucht.

Novotnys Arbeit vermittelt einen höchst interessanten Einblick in das geistige Leben dieser großen Zeit des österreichischen Staates, ja bisweilen tritt der Staatskanzler, dem er seine kritische Studie widmet, hinter diesem allgemeinen Interesse zurück. Es wäre zu wünschen, daß der Grazer Historiker auf breiterer Grundlage, als sie diese wertvolle Abhandlung haben konnte, seine Studien zu einer umfassenden Biographie ausgestaltete. Sein kritischer Sinn und hervorragende schriftstellerische Begabung scheinen ihn zu einem solchen höchst notwendigen Werk zu bestimmen. Wir knüpfen jedenfalls an diesen Historiker einer jüngeren Generation große Hoffnungen für die tiefere Erforschung neuerer österreichischer Geschichte.

Die Politik. Ihre Elemente und ihre Probleme. Von Adolf Grabowsky. Pan-Verlag, Zürich 1948

Fast alle grundlegenden Themen der äußeren und inneren Politik erscheinen in Hunderten von Artikeln lexikalisch hier eingerichtet. Daß die wissenschaftliche Sorgsamkeit leiden mußte, ist bei einem solchen umfangreichen Unternehmen begreiflich. Zudem keine Literaturangaben! Wenn schon der Verfasser die Absicht hatte, „aus fünfundzwanzig Büchern kein sechsund- zwanzigstes zu machen“, ondern ein grundsätzlich neues, so hätte er gerade deswegen hiezu Quellen angeben müssen, nicht aber sie weglassen dürfen. Dementsprechend ist die geschichtliche Grundlage des Buches lückenhaft, die Beurteilung der Daten ungenügend. Soziologisch ist das Buch geradezu hoffnungslos. Ethnologisch steckt es in Begriffsruinen. Philosophisch miß-, versteht es die Existenzialphilosophie al verspätete Bürgerideologie und findet die Lösung in „Hegel plus Marx“, das heißt in „Hegel, der durch Marx hindurchgegangen ist“, als ob dadurch die politische Hegelei,, ihr Totalismus und Sozialfetischismus, gemildert werden könnte.

Wolken, Wind und Wetter. Eine Wetterkunde für jedermann. Von Fritz Hader, österreichische Buchgemeinschaft, Wien 1947.

In einem sympathischen Plauderton versucht der Verfasser, die Grundprobleme der Meteorologie und dfren Forschungsergebnitse bis zur Gegenwart für breitere Kreise zu erläutern. Es ist dem Verfasser zweifellos gelungen, den vielleicht teilweise etwas trockenen Stoff durch passende Vergleiche oder durch ein unmittelbares Erleben des Wetters bei einem Wetterflug zu beleben, ohne dabei in das Romanhafte abzugleiten. So vermittelt also das Buch im großen und ganzen recht übersichtlich, wie der allgemeine Witterungsverlauf auf der Erde durch die Entstehung der Großzirkulation und insbesondere das wechselvolle Wetter unserer Breiten durch das Zusammentreffen verschieden gearteter Luftmassen zustande kommt. Bedauerlicherweise finden sich aber in dem Buch eine ganze Reihe physikalischer und meteorologischer EJprichtigkeiten. Es wäre sehr zu wünschen, wenn diese bei einer Neuauflage eliminiert werden könnten. Die Ausstattung des Buches, der Druck, das verwendete Papier nud nicht zuletzt der Bilderschmuck sind erstklassig.

Paul Cezanne. Eine Auswahl von Briefen und Aussprüchen. E.-Kaiser-Verlag, Klagenfurt.

Der Versudt, die Malerpersönlichkeit Cezanne aus seinen Briefen und Aussprüchen darzustellen, ist ein Wagnis, das in der vorliegenden Form nicht als gelungen bezeichnet werden kann. Die reizvolle Gegend der Provence, in der Cdzanne Zeit seines Lebens und Schaffens verwurzelt blieb, ist von so tiefer Bedeutung für seine Erscheinung, daß sie niemals über-’ gangen werden kann. Gerade der nicht reiche literarische Nachlaß kann allein kein wirkliche Bild von ihm wiedergeben. Außerdem müßt es durch eine gute Auswahl von einigen typischen Werken ergänzt werden, die dessen Eigenart zu veranschaulich imstande sind. Ein solches Buch bedürfte jedoch einer vorteilhafteren Ausstattung, als dieses hier gefunden hat.

Die Robbenwölfe. Erzählung für jung und alt. Von Fr. Friedrich Oberhäuser. S. Jörgl, Klagenfurt. 150 Seiten.

Das Buch, für jung und alt Ijestimmt, schildert in dramatischer Weise das verbrecherisch Treiben von Robbenjägern, die den Tierbestand auf den Aleuten durch ihre hemmungslose Beutegier gefährden. Der Verfasser ist bemüht, das Verabscheuungs würdige der räuberischen Taten, zu brandmarken, und läßt das Gute darüber siegen. Er geht aber in der Schilderung blindwütigen Robbenschlagens weiter, als es der Mentalität jugendlicher Leser zugemutet werden darf. Noch bedauerlicher ist, abgesehen von einigen zoologischen Unrichtigkeiten, die Darstellung des tierischen Geschlechtslebens kn Lichte menschlicher Erotik.

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