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VON NEUEN BÜCHERN

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Zu dem Buche: „Histoire des catholiques frankais au XIXe siede (1815—1905)“, von Henri Guillemin. Edition du milieu du monde, Genėve 1948, 392 Seiten

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Zu dem Buche: „Histoire des catholiques frankais au XIXe siede (1815—1905)“, von Henri Guillemin. Edition du milieu du monde, Genėve 1948, 392 Seiten

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Die Ereignisse des beginnenden 19. Jahrhunderts zeigen eine deutliche Umgruppierung des europäischen Denkens an, das in seiner Problematik bereits wichtige Veränderungen barg, jedoch noch vielfach von ihrer Vergangenheit sich nicht zu lösen vermochte. Das Thema des vorliegenden Buches ist vielversprechend, und man ist geneigt, eine große geistige Darlegung zu erwarten, welche die Grundtendenzen des geistigen Ringens im französischen Katholizismus aufzeigen werde. Indessen hat der Autor schon vom Anfang an eine bewußt einseitige Stellungnahme gegen die konservativ eingestellten Kräfte bezogen, so daß es ihm dadurch auch schwer wird, über diese ein gerechtes Urteil zu fällen. Die bewußte Betonung des guten und integren Willens der linksgerichteten Kreise im katholischen Lager ist nicht nur das gute Recht des Autors, sondern die Geschichte selbst hat ihnen vielfach, wenn auch nicht hundertprozentig, recht gegeben. Sie waren durchwegs von einem hohen christlichen Ethos und. einem reichen Idealismus getragen und bereit, den deklassierten Arbeiterschichten, für die auch die bürgerliche Revolution von 1789 keinerlei Befreiung und Anerkennung ihrer Menschenrechte bedeutete, das Recht auf eine menschenwürdige Existenz zu verschaffen. Dabei waren den französischen Katholiken geradezu historische Chancen geboten, die von zahlreichen Bischöfen, Priestern, Laien und Politikern erkannt wurden. Es ist im Hinblick auf das heute entchristlichte Land erschütternd, Zeugnisse von damals zu lesen, wie sehr die Arbeiterschaft das Heil von einer christlichen Sozialpraxis erwartete. Indessen wirkten gerade in diesem Lande, das scheinbar von den Grundsätzen der liberte, egalite und fraternitf getragen war, reaktionäre Kräfte im üblen Sinne des Wortes, die im aufstrebenden kapitalistischen Bürgertum Unterstützung und Beifall fanden. Die Gefahren, in welche die französische Kirche durch ungerechtfertigte antirepublikanische, scheinbar konservative Affekte — nicht durch wahrhafte Überzeugungen! — gedrängt wurde, werden deutlich beschrieben. Für bekannte Tatsachen, wie die unglückselige Restaurationspolitik der Bourbonen, der bewußte Mißbrauch der Verbindung von Thron und Altar mit dem Ziel der Erneuerung des Gallikanismus durch den Staat, worüber de Roux in seinem Buch „La Restauration“ (Paris 1942) schon geschrieben hat, werden originelle und neue Belege beigebracht. Dasselbe gilt von den folgenden Perioden bis herauf zum Ausgang dieses Jahrhunderts, als Leo XIII. trotz und entgegen weiten Kreisen des französischen Katholizismus eine Ralliementpolitik gegenüber der Republik befürwortete. Dem Kenner des Werkes von W. Gurian „Die politischen und sozialen Ideen des französischen Katolizismus von 1789 bis 1914“ (M.-Gladbach 1925) werden wertvolle Ergänzungen geboten. Die Bedeutung dieses neuen Buches liegt vor allem in der eingehenden Benützung schwer zugänglicher Streitschriften und der laufenden Jahrgänge des „Correspondent"wie des „Univers“.

Hier ist keine endgültige Beurteilung der Fehler und eventuellen positiven Möglichkeiten des französischen Katholizismus im 19. Jahrhundert zur Aufgabe gestellt, wohl aber muß darauf verwiesen werden, daß die verpaßten Chancen, ebenso wie die Verklammerung von an sich wohlmeinenden Kreisen mit der augen blicklichen Macht, gleichwie das Bestreben, um jeden Preis an der politischen Macht zu sein, dem Impetus des christlichen Gedankens großen Schaden zufügten und wenig Verständnis dafür hatten, einer zu Beginn des Jahrhunderts noch glaubensbereiten Volksmasse im entscheidenden Augenblick durch eine christliche Tat den Weg zur, Kirche freizuhalten. Allerdings wird in diesem Buchte die Gestalt und das Werk Frederic Ozanams mehr nach seiner literarischen Seite hin gezeigt, während doch gerade hier sein so eminent praktisches Werk der Vinzenz- Konferenzen eine Darstellung finden könnte gegenüber den vielen, vielen Reden, Zeitungsartikeln und Schriften, die immer wieder zitiert werden.

Vielleicht werden aber dem vielfachen Für und Wider der Gedanken, die der Autor vorlegt und die eine gewisse Kenntnis der historischen Geschehnisse voraussetzen, viele Leser gerne folgen, weil sie so deutlich zeigen, daß das Geschehen dieser Zeit zur Besinnung in der Gegenwart ruft' und über allem die soziale Tat die vordringlichste Forderung für damals wie auch für heute bedeutet. r- T U T

Dr. Leopold Lentner

Einsame Gedankengänge. 1934—1939. Von Richard Schaukai. Verlag Karl Alber, München.

Dieses neue Buch umfaßt nach dem Titelblatt die Zeit von 1934 bis 1939, aber in Wirklichkeit sind auch Arbeiten aus den allerletzten Jahren mitaufgenommen. Schaukai hat dieses Buch noch knapp vor seinem Tode druckfertig gemacht. Er versteht unter diesen „Gedankengängen“ Sprach- und Denkkunstwerke, Mitteldinge zwischen Aphorismen und Denkskizzen. Sie sind von einer Bewunderungswürdigen Souveränität und Spannkraft. Dieses Buch beschwört Schaukai wieder in unsere Mitte mit dem ganzen Glanz seiner Individualität und dem selbstverständlichen Reichtum seiner geistigen Wesenheit, die denken will um des Denkens willen, die sich durch die Fähigkeit solcher Beschäftigung vor sich selbst und vor dem Weltgeist in ihrer Würde und Eigenartigkeit legitimiert glaubt. Aber nicht darauf kommt es an, was er uns darüber zu sagen bat, auch darauf, wie er es tut und wie er im Raum seiner Existenz steht und zwischen den Welten und Widersprüchen west. Eben das polare Zusammensein der Gegensätze, die Harmonisierung der Dissonanzen macht den unvergeßlichen Reiz seiner Werk- und Lebensgewinnung au. Das Sittliche als den Weg aufzufassen, nicht zum Guten als Ziel, das man wieder aufgeben könnte, sondern als die Verfassung zum Rechten und Richtigen und Sinnvollen, das weist Schaukais Grundanschauung nach, die in dem Buche klar und deutlich aus der Gesamtheit seiner Menschlichkeit hervorleuchtet. Nur in dieser Haltung, in dieser Gesinnung, in dieser absolut verpflichtenden Entschlossenheit zur sittlichen Tat beruht die letzte Möglichkeit einer Rettung der Humanität. In diesem Sinne fühlen wir uns in diesen Blättern angesprochen von einer der edelsten ins Zeitlose entrückten Stimmen unserer Heimat. Leopold Liegler

Karte der Wehr- und Schloßbauten in Niederösterreich einschl. nördl. Burgenland) und Erläuterungen. Von Felix Ha1mer. Touristikverlag, Wien 1948.

In fünf Teilblättern, die die vier Viertel des Landes Niederosterreich und Wien samt näherer Umgebung umfassen (Maßstab

1:200.000, für Wien 1:34.000, beziehungsweise 1:11.500), legt der Verfasser, der sich auf dem Gebiet der Burgenkunde mit mehreren Arbeiten und organisatorischer Leistung bereits einen Namen gemacht hat, das Ergebnis seiner langjährigen Forschungen vor. Es handelt sich, wie der Autor selbst sagt, um eine erste Bestandaufnahme dieser Bauten, an denen gerade das Land Niederösterreich so reich ist. Nicht weniger als 1489, zum überwiegenden Teil noch bestehende Objekte, sind verzeichnet und in ihrer genauen Lage eingetragen. Sie verteilen sich dabei auf folgende Kategorien: Burg oder Schloß (621), befestigtes Kloster (28), Ruine (140), Wadit- oder Wehrturm (17), Wehrkirche (110), verschwundene oder verschollene Burg, beziehungsweise Schloß (498), verschwundene Wehrkirche (68), Lage nicht feststellbar (7).

Zweifellos wird die Zahl der ehemals bestandenen Burgen, beziehungsweise befestigten Edelsitze mit der Zeit noch bedeutend wachsen wenn man du in den Urkunden genannten ritterlichen Leute nach ihren Sitzen festlegt. Hieher gehört vor allem auch die Verzeichnung der ehemals auf dem Boden der späteren Vororte bestandenen Adelssitze; von ihnen sind nur Hacking und Hernals angegeben.

Die Erläuterungen zur Karte geben zunächst einen Überblick über die Entwicklung der Kartographie für Niederösterreich, behandeln dann bestimmte Fragen der Darstellung, ferner die sogenannten Burgstädte in Niederösterreich (nach den Forschungen von Ad. Klaar) und bringen endlich eine Lokalisierung von Burgen, deren Lage bisher in der Literatur als nicht feststellbar erklärt wurde. Zuletzt endlich spricht der Verfasser von Aufgaben, die eine systematisch Burgenforschung zu erfüllen hätte. Wir wünschen dem Verfasser, daß er selbst noch reichlich Gelegenheit habe, an der Lösung dieser Fragen entscheidend mitzuarbeiten.

Dr. Karl Lechner

Geschichte Gasteins und des Gasteiner Tale. Von H. v. Zimburg. Verlag Braumüller, Wien, 1948. 384 Seiten, 66 Abbildungen.

Das ist keine der gewöhnlichen populär geschriebenen Talgeschichten, sondern ein auf langjährigen und gründlichen Studien der archivalischen Quellen und literarischen Vorarbeiten beruhendes wissenschaftliches Werk. Fließende Darstellung und feuilletonistisch behandelte Episoden verleihen ihm eine leichte Lesbarkeit. Das Buch berichtet von vor- und frühgeschichtlichen Funden und vom Goldbergban, der seit der Keltenzeit bis in unsere Tage reicht, und im Mittelalter seine höchste und sagenhafte Blüte erlebte. Daneben erzählt es von Edelgeschlechtern und Grundherrschaften, von religiösen Wirren und Bauernkriegen, von Unglücksschlägen und Wasserkatastrophen. Vor allem aber schildert die Arbeit den Badebetrieb und das Badeleben in der Gastein von seinen bescheidenen, ältesten Anfängen an bis in die Gegenwart. Gut gewählte und tadellos ausgeführte Abbildungen unterstützen den Text. In Summa: eine ausgezeichnete Arbeit.

Dr. Matth. Mayer-Going

Adalbert Stifter als Maler. Von Fritz Novotny. Verlag Anton Schroll & Co., Wien.

Die interessante Monographie Dr. Novotnys, der wohl der beste Kenner des malerischen Schaffens unseres großen heimischen Dichters ist, erschien nunmehr in dritter, erweiterter Auflage, wobei auch die in den letzten Jahren neuentdeckten Gemälde Stifters Berücksichtigung fanden. Dem reichen Bildmaterial und der wissenschaftlich überaus gründlichen Bilderläuterung geht eine feinfühlig geschriebene Einleitung voraus, in welcher der Verfasser das künstlerische Werden des Malers Stifter treffend charakterisiert. Alles in allem, ein Buch, das weiteste Verbreitung bei Freunden der Stiftersehen Erzählerkunst verdient, weil sich aus seinem malerischen Oeuvre die ganze Eigenart dieses Meisters österreichischer Prosa erschließt.

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