Berührung - © iStock/Chan254

Zwischen Ich und Nicht-Ich

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Berühren und berührt werden meint vor allem sich selbst und die Welt spüren. Über aktuelle Erkenntnisse aus der Leibphilosophie und die Anforderung, sich abzugrenzen.

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Berühren und berührt werden meint vor allem sich selbst und die Welt spüren. Über aktuelle Erkenntnisse aus der Leibphilosophie und die Anforderung, sich abzugrenzen.

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Berührung. Man entkommt ihr nicht. In Form des Tastsinns wird sie schon vor der Geburt im Mutterleib erlebt. Der Tastsinn ist es auch, der sich noch vor allen anderen entwickelt. Auf die Welt gekommen wird er für den Menschen zu einem Sinn, der anders als alle anderen Sinne nie verlorengehen kann – außer durch das Lebensende, wie es die österreichische Philosophin Julia Meer betont: „Ich kann es mir gar nicht aussuchen, ich bin immer berührend und berührt – wäre ich es nicht, so wäre meine Lebenszeit vorüber.“

So grundlegend gedacht entfalten die Besonderheiten des Tastsinns auch für die philosophische Beschäftigung mit dem Menschen, besonders im Bereich der Leibphilosophie, enorme Relevanz. Während man sich innerhalb dieses Feldes schon lange mit dem Tastsinn auseinandergesetzt hat, pochen neuere Forschungen – einige von ihnen innerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz – zur Berührung auf ihren Mehrwert, den sie gegenüber dem bloßen Tasten innehat.

Dabei wird ihr die Fähigkeit zugesprochen, über bloße Körpergrenzen hinweg an die Subjektivität und damit das Innerste des Menschen selbst rühren zu können. Was dies unter anderem für die Vermittlung menschlicher Nähe und das Schmerzempfinden bedeutet, untersucht etwa die Leibphilosophin und Theologin Anna Maria König:

„Das letzte zentrale Hier“

Forscherin König kann dabei auf einen umfassenden wissenschaftlichen Fundus zurückgreifen, innerhalb dessen der Tastsinn in den Fokus gerückt wurde. So betonte schon der Begründer der Phänomenologie, Edmund Husserl, dass man am Tastsinn am eindeutigsten die eigene Leiblichkeit erfahre. Wo man in der Welt stehe und wo die Grenzen des eigenen Leibes seien, ließe sich am deutlichsten ertasten – er nannte deswegen den Leib auch „das letzte zentrale Hier“.

Demnach vermittelt der Tastsinn nicht nur, dass der eigene Körper des Individuums mehr ist als ein bloßes Ding, sondern er vermittelt ebenso ein empfindendes „Ich“, das sich von allem anderen grundlegend unterscheidet; ein Subjekt, das überall dort „sich selbst“ spüren kann, wo es berührt

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