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Zwischen Magie und „Auferstehung im Tod“

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Rosenstock gibt mit dieser Soziologie das eigentliche System seines Geschichtsbildes „Die europäischen Revolutionen und der Charakter der Nationen“ (1931), seiner Kirchenkritik („Die alte Kirche“) und seiner Aufrufe zu einem pneumatischen Christentum („Der Atem des Geistes“, 1951 und „Heilkraft und Wahrheit“, 1952). Zufolge dieser Zusammenhänge gerät seine Soziologie zu einer romantischen des „Zurück zu den Müttern“ (I, 6) und einer zugleich pneumatisch-charismatischen der „Woge des Geistes“, die „immer Gewalt behalten muß“, zu einer M Leidenschaft“ gegenüber aller „Theoretischen Gleichgültigkeit“ (I, 35). Diese romantisch-pneumatische Soziologie stellt sich von Anfang an sowohl gegen eine „Formalsoziologie“ (in der Konzeption Simmeis) wie gegen eine „Kräftesoziologie“ und „Gestaltungssoziologie“ (die sich geschichtsphilosophisch fundiert). Es sind Comte (mit seinem Entwurf einer neuen Humanitätsreligion) und Saint-Simon (mit seiner mystischmagisch-prophetischen Verbindung von „Physik“ und „Politik“) und (von Rosenstock ungenannt) Franz von Baader (mit seiner Synthese zwischen Jakob Böhme und Saint-Simon), die sich als Ahnen dieser Soziologie darstellen (vgl. 1, 44 ff.). Aber es ist nicht die Comtesche „Beziehung“, die der Grundbegriff ist, sondern ein ganzheitshaftes „Wir“ (dem er einst eine eigene „Grammatik“ schrieb). Und dieses ganz-heitshafte „Wir“ ist nicht wie bei Johannes Plenge (dem Schöpfer einer ganzen Metaphysik des „Wir“) eine Synthese zwischen Hegel und Marx, sondern das Sozialistische (in auffallender Nähe zum Sozialismus Nahum Goldmanns) ist, mitten im Pneumatischen, die durchgehende Note Rosenstocks. Einerseits wird man sagen müssen, daß seine „Soziologie“ in ihrer farbigen Fülle von Einzelanalysen an die Kunst Georg Simmeis und Max Schelers zurückgemahnt. Anderseits aber ist in all dem eine ganz bestimmte „Botschaft“ das Anliegen Rosenstocks. Diese Botschaft sieht, im Gegensatz zwischen Des-cartes und Nietzsche, die beide „ohne Ahn und ohne Erbe“ sind, das Signum der Neuzeit (I, 315), beide aber wiederum in einem Durchwirktsein von Buddha, Laotse, Kant und Freud (1. 329). Es ist, noch weiter gespannt, eine Weltbotschaft, in der, gemäß einem Midrasch, das Römische (als Sprache des Rechts), das Aramäische (als Sprache der Familiensitte), das Griechische (als Sprache der „Wortliebe“ der Philosophen) und das Hebräische (als Sprache der Offenbarung) das Symbol einer „unitas multiplex“ des Universums sind (II, 254). Aber der Kern dieser Botschaft einer Allspannung der Gegensätze (I, 45) ist die echte Gnosis einer „Nichtexistenz“, in der erst die „Existenz“ durchbricht: im Symbol einer geschichtlichen „Nichtexistenz“ Christi, die ebenso die Existenz des „erhöhten Herrn“ ist als allbestimmende Wende der Zeiten (II, 269 ff.). Und entsprechend ist grad unsere Zeit einer beständig andräuenden „Nichtexistenz“ jene „Ära“, in der „die Endzeit da ist“, Auflösung als Umwandlung in ein unbegreiflich Größeres. — So aber wird die Soziologie dieses Judenchristen, der seit den zwanziger Jahren des Jahrhunderts in allen sogenannten „Bewegungen“ reizend und lenkend im bestimmenden Hintergrund stand, zu einem merkwürdigen, fast unheimlichen Schillern zwischen dem Urchristlichen einer „Auferstehung im Tod“ und dem spezifisch Schamanischen (vom Buddhistischen her) einer demiurgischen Magie eines „Tod zur Auferstehung“ (in einer „schöpferischen Vernichtung“), wie Mircia Eliade sie als Kern des Schamanismus aufgedeckt hat, wie sie aber, auffallend genug, ebenso der gnostische Kern eines Bolschewismus der „schöpferischen Zerstörung in Bakunins Konzeption ist.

DAS WIRKEN DER ORDEN UND KLÖSTER IN DEUTSCHLAND. I. Band. Herausgegeben von Doktor P. J. Hasenberg und A. Wienand. Wienand-Verlag, Köln. 436 Seiten. Preis 123.40 S.

Was der vorliegende erste, die Männerorden, -kongregationen und -klöster des deutschen Sprachraumes (außer Österreich und der Schweiz) behandelnde Band ist und will, sagt treffend Karl Frings im Geleitwort. Das Werk „hat sich zum Ziel gesetzt, in der deutschen Öffentlichkeit das Wissen um Wesen und geschichtliche Entwicklung der Orden und Kongregationen der katholischen Kirche zu verbreiten und Verständnis für ihre Aufgaben :u:i ihre Wirkungsformen zu wecken“. Es will so „in der deutschen katholischen Jugend wieder Neigung und Liebe zu den Ordens- und Kloster-berufen wecken und fördern“. Dabei geht es „bewußt neuartige und eigene Wege“. Nach einer „auf dem modernsten Stand der wissenschaftlichen Forschung beruhenden, allgemein verständlichen Einführung in Geist, Geschichte und Arbeitsweise der Orden und Klöster der katholischen Kirche in Deutschland“ folgen Ordensmonographien in Selbstdarstellungen, die zusammen mit der werbenden Bebilderung die deutsche Jugend ahnen lassen, welch vielgestaltiger,Segen für das“ deutsche Volk in Vergangenheit und Gegenwart das Wirken der Orden und Klöster war und ist.

Die große Zahl der Mitarbeiter bringt es mit sich, daß sich manche Versehen einschleichen konnten. So werden die Windesheimer Chorherren irrtümlich zu den Brüdern vom gemeinsamen Leben gerechnet (S. 40). Die Prämonstratenser werden „der erste eigentliche Seelsorgsorden“ genannt (S. 34), aber auch der Orden des heiligen Dominikus will „der erste ausgesprochene Seelsorgsorden der Kirche“ sein (S. 85). Richtig müßte es wohl heißen, daß die Prämonstratenser der erste Orden für die ordentliche Pfarrseelsorge und die Dominikaner der erste Orden für die außerordentliche Seelsorge waren. Das Recht, der erste Seelsorgsorden zu sein, dürften die Augustiner-Chorherren beanspruchen dürfen, denn sie sind der älteste Priesterorden. Doch sie sind in Deutschland sehr wenig bekannt, obwohl sie dort vor der Reformation bzw. Säkularisation mehrere hundert Klöster besaßen. In der Historischen Zeittafel (S. 420) wird zum Jahre 1339 behauptet, die Augustiner-Chorherren seien in diesem Jahre „als eigentlicher Orden“ gegründet worden. Richtig ist, daß durch die damals von Benedikt XII. erlassene Apostolische Konstitution „Ad decorem Ecclesiae“ angeordnet wurde, die Klöster der Chorherren sollten sich nach Art der Zisterzienser zu Kongregationen vereinigen. Einen befriedigenden Überblick über die großen Verdienste der Orden in der Pfarrseelsorge, besonders zur Zeit der katholischen Restauration, konnte das Werk nicht bringen, weil die notwendigen Vorarbeiten fehlen. In allem ein sehr schönes, inhaltsreiches Werk, gewiß sehr geeignet, die ideale katholische Jugend für das Ordensleben zu begeistern.

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