Albertina - © Foto: albertina, Wien

Piktorialisten um 1900: Atmosphäre statt Schärfe

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Wie hingetupft wirken die fotografischen Abzüge, die die Piktorialisten um 1900 schufen. Die Albertina modern widmet dieser Kunstrichtung ihre aktuelle Ausstellung.

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Wie hingetupft wirken die fotografischen Abzüge, die die Piktorialisten um 1900 schufen. Die Albertina modern widmet dieser Kunstrichtung ihre aktuelle Ausstellung.

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Die Albertina modern präsentiert in ihrer aktuellen Ausstellung „Piktorialismus“ unter anderem den Bankier Nathaniel von Rothschild und den Zuckerfabrikanten Julius Strakosch; allerdings nicht als Mäzene ‒ diese Herren leben gar nicht mehr ‒, sondern als Künstler, als Repräsentanten dieser um 1900 aufkommenden Kunstrichtung, die auch mit „malerischer Fotografie“ umschrieben wird.

Heute macht jeder und jede Fotos, dazu ist nicht einmal mehr eine Kamera nötig. Es genügt das Handy. Nichts Besonderes also. Im Fin de Siècle war das noch anders. Da war die Fotografie, erst 1839 von dem Franzosen Louis Daguerre begründet, einer wohlhabenden Schicht vorbehalten; allein schon wegen der hohen Anschaffungskosten für die Kamera – hier zeigt sich im Übrigen eine überraschende Parallele zum Fahrradfahren. Auch diese Fortbewegungsart konnte sich zu jener Zeit nur eine Elite leisten.

1887 formiert sich der „Wiener Camera-Club“, auch gerne „Millionärsklub“ genannt. Hier kommen die Reichen zusammen, Industrielle und Wissenschafter, Leute wie Rothschild und Strakosch. Was sie vereint, ist die Begeisterung für die neue Technik, für das fotografische Verfahren. Sie sind Amateure. Im Unterschied zu den gewerblichen Fotografen geht es ihnen nicht um eine getreue Wiedergabe der Wirklichkeit. Sie wollen mehr, die Fotografie von ihrem Hautgout des maschinell Gemachten befreien, ihr einen Platz in den Tempeln der Kunst sichern. Dazu machen sie Fotos, die an Gemälde erinnern. Zum einen schaffen sie das über die Sujets. Für ihre Aufnahmen reisen sie in malerische Gegenden. Geld spielt ja keine Rolle. Oder anders ausgedrückt: Ihre Leidenschaft lassen sie sich gerne etwas kosten. Zum anderen erreichen sie es über die Ausarbeitung ihrer Aufnahmen: Sie wenden ein besonderes Druckverfahren an, den sogenannten Gummidruck. So schaffen sie Bildnisse, die wie hingetupft wirken. Unscharf und verschwommen. Wie aus Träumen geboren. Atmosphäre statt Schärfe. Die große Stärke der Fotografie – die Welt in bisher nicht gekannter Detailgenauigkeit wiedergeben zu können –, gerade die vermeiden die Piktorialisten nach Kräften.

Arrangiert und komponiert

Einer ihrer prominentesten Vertreter: Heinrich Kühn (1866–1944). Als Alleinerbe des väterlichen Vermögens kann er ein sorgenfreies Leben führen, jedenfalls lange Zeit. Er macht Landschaftsbilder. Und immer wieder auch Aufnahmen von seinen Kindern, die ihm Modell stehen. Dabei handelt es sich nicht um Schnappschüsse fürs Familienalbum, sondern um sorgsame Arrangements. Die Farbe der Kinderkleidung wird so gewählt, dass sich auf dem fertigen Bild eine feine Tonabstufung ergibt, wie auf einem impressionistischen Gemälde. „Für die Ausarbeitung stand der Künstler oft mehrere Tage im Atelier“, erklärt Astrid Mahler, die Kuratorin der Ausstellung.

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