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Warum das Wien Museum nicht nur die eigenen Stadt -Bilder dokumentiert. Ein Gespräch mit Direktor Wolfgang Kos.

Die Furche: Warum zeigt das Wien Museum nicht eine Wiener Fotoausstellung, sondern das Paris von Cartier-Bresson?

Wolfgang Kos: Das Wien Museum zeigt sehr viele Wiener Fotografien im Rahmen der Ausstellung "Alt-Wien: Die Stadt, die niemals war" im November im Künstlerhaus. Das ist eine so intensive Wien-Auseinandersetzung, dass es sehr viel Sinn macht, in dieser Zeit auch andere Aspekte unserer Arbeit in den Vordergrund zu stellen.

Die Furche: Und warum Paris?

Kos: Es hat sich die Möglichkeit ergeben, dass Wien mit einbezogen wird in ein europäisches Monat der Fotografie - heuer sind Paris, Berlin und erstmals auch Wien beteiligt. Da hat sich herausgestellt, dass es in Paris ein Stadt-Museum gibt, das auf Fotografie konzentriert ist: das Maison Européenne de la Photographie. Zu seinem Bestand gehören die Paris-Bilder von Cartier-Bresson, und da wir uns mit Großstadtentwicklung befassen, mit der Entwicklung von Bildern der Stadt, die man sich macht, war das eine Möglichkeit, im Monat der Fotografie eine sehr wichtige Ausstellung zu haben - und zugleich eine, die deutlich macht, dass das Programm des Wien Museums nicht verwechselt werden soll mit einem Mega-Heimatmuseum, wo immer wieder nur Wien gespiegelt wird. Das kann man nicht machen als Großstadt-Museum. Die Entwicklung der Moderne, die urbanistischen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte, die Rolle, die öffentliche Bilder spielen, wie die wieder rückprojiziert werden, das ist sehr ähnlich bei allen so genannten schönen Großstädten.

Die Furche: Was ist spezifisch für die Paris-Bilder Cartier-Bressons?

Kos: Die Cartier-Bresson-Ausstellung passt deswegen so gut ist Konzept, weil sie am Beispiel Paris etwas zeigt, was für viele Städte wichtig ist, nämlich dass unsere Vorstellung von Städten viel stärker von Kunstwerken, von Filmen und von den Werken bedeutender Fotografen geprägt ist, als uns das bewusst ist. Und das ist etwas, was ein Großstadt-Museum wie unseres interessiert - an diesem großen Fotografen zu zeigen: Wie umkreist er sein Paris, wie entstehen da bestimmte Konstanten, z. B. die Bedeutung, die er der Dachlandschaft gibt. Ich finde das eine ganz große Leistung, wenn ein Fotograf seine Stadt verändern kann; und Cartier-Bresson hat Paris verändert. So pariserisch ist eine Stadt natürlich nicht wie in der künstlerischen Überspitzung. Darum auch der Untertitel "Die Essenz von Paris", weil er wirklich aufs Essenzielle gegangen ist.

Die Furche: Das heißt, Cartier-Bresson hat unseren Blick auf Städte verändert, und wer in diese Ausstellung kommt, hat hernach vielleicht auch einen anderen Blick auf Wien.

Kos: In Wien ist Franz Hubmann vielleicht derjenige, der unseren Blick in den letzten fünf Jahrzehnten am stärksten geprägt hat. Weil er ja nicht nur Menschen gezeigt hat, sondern Menschen in ihrem Lebensumfeld. Wenn ich an Helmut Qualtinger im Prater denke: Ich erfahre nicht nur über Helmut Qualtinger etwas, sondern auch über die Schäbigkeit des Praters, die aber eigentlich sein Wesen ausmacht oder seinen Charme. Viele Städte haben wahrscheinlich solche Pioniere des Blicks auf das Eigene oder auf das Wesen. Das hat etwas mit Forschertum zu tun, hat auch mit Inspiration, mit einem Gespür zu tun.

Die Furche: Welche Wien-Bilder wird Paris zu sehen bekommen?

Kos: Im Gegenzug gibt es eine Ausstellung von uns in Paris, also ausschließlich aus dem Bestand des Wien Museums - im Unterschied zur Cartier-Bresson-Ausstellung allerdings die eines Fotografen, der nicht einmal in Wien bekannt ist: August Stauda. Wir haben in der Sammlung etwa 3.000 Fotos von ihm, alle um 1900 und knapp danach entstanden. Es ist grundsätzlich eine sehr nüchterne dokumentarische Fotografie, die damals u. a. für den Beginn des Denkmalschutzwesens gebraucht wurde. Darunter sind sehr viele Fotos, die so etwas wie eine letzte Ölung für die Gebäude sind. Er ist wie viele Künstler, Maler und Fotografen seiner Zeit immer dann ausgerückt, wenn es geheißen hat, ein Haus verschwindet. Viele dieser Fotos zeigen Reste der Physiognomie des alten Wien. Stauda ist auch in der Ausstellung "Alt-Wien" prominent vertreten.

Das Gespräch führte Cornelius Hell.

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