Poetische Umkreisungen

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Seit zehn Jahren malt Arnulf Rainer nicht mehr. Umso interessanter macht diese Tatsache seine Personale in der Innsbrucker Galerie Thoman mit den letzten, noch nie gezeigten Bildern des von der Kunst besessenen und getriebenen 80-jährigen „Übermalers“.

Bilder, die zeigen, dass der ehemals radikale Auslöscher mild geworden ist. „Das Testosteron ist mir halt ausgegangen“, lächelt Rainer keineswegs entschuldigend, um sofort festzustellen, was in diesem oder jenem Bild nicht stimmt, was er baldigst richtigstellen will. Eigentlich könnte sich der 1929 in Baden bei Wien geborene Arnulf Rainer bequem auf seinen Lorbeeren ausruhen. Hat er in seinem Künstlerleben doch mehr erreicht als praktisch alle seiner malenden österreichischen Zeitgenossen. Er war bei der Biennale Venedig und der Kasseler documenta dabei, das Pariser Centre Pompidou genauso wie das New Yorker Guggenheim widmeten ihm Personalen, die Münchner Pinakothek der Moderne hat einen eigenen Rainer-Raum eingerichtet, seine Heimatstadt Baden ein ganzes Museum.

Ein ewiger Sucher

Doch Rainer ist trotz seiner 80 Jahre ein Getriebener, ein von der Kunst Besessener, ein ewiger Sucher. Basierend auf Altem, dieses weiterspinnend, neu erfindend. Und so wird Rainer wohl bis zu seinem letzten Atemzug ein Übermaler bleiben, der Auslöscher oft gefundener Wirklichkeiten durch den Malakt, um durch diesen die durch die plakative Oberfläche repräsentierte Realität zu verinnerlichen, komprimieren zu Meditationsbildern, für sich wie für jenen Betrachter, der ein Sensorium für Sinnbilder dieser Art hat.

Rainers Methode, durch Auslöschen Neues zu kreieren, ist in seinen letzten, auf grundierte Hölzer gemalten Bildern weniger offensichtlich, weniger radikal als früher. Allein schon in ihrer Poesie sind sie getragen von einer heiteren Altersmilde, wenn er etwa die Blätter von Bäumen auf Malgründe appliziert, um sie in vielen Schichten zarter, oft pastelliger Farbschleier einzuhüllen. In anderen Bildern wieder spielt Rainer mit grafischen Strukturen, indem er die Farben zu linearen oder gitterartigen Strukturen gerinnen lässt. Sie verleihen diesen Arbeiten den Reiz des brüchig Morbiden, überziehen die Oberflächen mit einem Gewirr sich zart verästelnder Linien, das in einem Bild wie das monumentale Netz einer Spinne anmutet. Oft zelebriert als farbig delikates Spiel um nur einen Ton, der bei diesen im Gegensatz zu den heiter gestimmten Bildern mit den Blattrelikten dunkler, brüchiger ist.

Abschied von der extremen Geste

Alle diese um die Mitte der Neunzigerjahre entstandenen Arbeiten tragen zwar keine Titel, sind aber Umkreisungen des Alles wie des Nichts, des Mikro- wie Makrokosmos. In der Überlagerung bzw. Durchmischung ganz heller, pastelliger genauso wie dunkler Farben, exklusive des von ihm früher so geliebten Schwarz. Die extreme Geste scheint Rainer generell nicht mehr zu mögen, selbst wenn er die Malgründe malträtiert, indem er sie perforiert. Denn die Stiche, die er seiner eigenen Kunst nun zufügt, sind eher polemische Sticheleien, mehr eine dekorative Attitüde denn eine schmerzhafte Geste.

Dekorativ kommen auch Rainers Übermalungen pompöser Blumendrucke daher. Ganz im Gegensatz zu einer Reihe in den Jahren 1997 und 1998 entstandener Hand- und Fingermalereien. Hier kommt der expressive Gestus des Rainer von gestern noch einmal voll durch, des Getriebenen, des Dynamikers. Rot und Schwarz sind hier nicht zufällig die zentralen Farben als Metaphern für Leben und Tod. Und vom Schwarz dominiert sind auch die kleinerformatigen Arbeiten auf Papier, der vom Künstler heute bevorzugten Technik.

Zurück zu den Anfängen

Der Achtzigjährige kehrt hier wundersamerweise zu seinen Anfängen zurück, wird er – alles dekorative Schnickschnack der Neunzigerjahre vermeidend – zum Maler kraftvoller, die Untergründe geheimnisvoll durchpflügender, fast vollständig zudeckender Bildzeichen. Da ein Kreuz in keiner Rainer-Schau fehlen darf, hat Galerist Klaus Thoman in seinem Lager gestöbert und eines gefunden, das 1990 bzw. 1999 entstanden ist. Ein buntes Kreuz, bei dem der Künstler das Dunkle des Untergrunds durch viele Schichten von Gelb und Rot – fast – ausgelöscht hat.

Arnulf Rainer. Malerei

Galerie Elisabeth und Klaus Thoman

Maria-Theresien-Straße 34, 6020 Innsbruck

bis 27. Mai, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa 10–17 Uhr

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