Politische Gartenkunst? Ja, natürlich!

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Eine Schau im Lentos Kunstmuseum Linz ist dem Schaffen von Lois und Franziska Weinberger gewidmet, die sich als "Künstlergärtner" mit der Interaktion zwischen Kunst und Natur befassen. Eine der überzeugendsten Präsentationen von Gegenwartskunst im diesjährigen Kunstherbst.

Die Natur hat Kunstinstinkt - daher ist es Geschwätz, wenn man Natur und Kunst unterscheiden will", meinte der Romantiker Novalis. Ein Satz, der heute besonders aktuell erscheint, wenn man sich die zunehmend verschwimmenden Grenzen zwischen Natürlichem und Künstlichem, zwischen Kunst und Natur ansieht: etwa am Beispiel von Plastikblumen, Kunstschnee, genmanipuliertem Gemüse - aber auch anhand von Kunstprojekten in Form von "Plant Art".

Als geeigneter Ort des Zusammentreffens von Natur und Kunst galt seit jeher der Garten. Bereits Hugo von Hofmannsthal zog Parallelen zwischen einem kreativen Schaffensprozess und dem Gärtnern: "Es gibt im Grunde nichts, was dem Dichten so nahe steht, als ein Stück lebendiger Natur nach seiner Phantasie umzugestalten." Das Interesse von Gegenwartskünstlern an diesem "umzäunten Land" ist also nachvollziehbar - jenem Ort, an dem Chaos und Ordnung Prozesshaftes und Konzeptionelles, Gewachsenes und Gestaltetes aufeinandertreffen.

Zahlreiche Künstler und Künstlerinnen der letzten beiden Jahrzehnte verwenden lebende Vegetation als künstlerisches Medium - sie arbeiten mit einzelnen Pflanzen, kreieren ganze Gartenanlagen. Zu den weltweit renommiertesten Künstlern, die sich mit der Interaktion zwischen Kunst und Natur befassen und als "Künstlergärtner" auf sich aufmerksam machen, gehören Lois & Franziska Weinberger - neben Elke Krystufek und Dorit Margreiter Fixstarter im österreichischen Pavillon der kommenden Biennale in Venedig.

Unkrautpflanzen als Symbol

Der internationale Durchbruch gelang Lois Weinberger, der damals noch alleine agierte, durch sein Aufsehen erregendes Projekt bei der Documenta X (1997) in Kassel, bei dem er ein verlassenes Bahngleis bepflanzte, anstatt Werke im alteingesessenen Friedericianum auszustellen. Damals wurden die Strategien öffentlich sichtbar, die Weinberger als Künstler, Gärtner und Forscher bereits seit Ende der 1970er Jahre verfolgte, als er in seinem Tiroler Heimatdorf Stams begann, die Landschaft genau zu studieren, und vor allem zu sammeln: "Ich habe sicher nie Dinge gesucht, sondern immer Dinge gefunden."

Seit 1999 arbeitet Lois Weinberger mit seiner Frau Franziska zusammen, die zuvor als Kunsthistorikerin und Kuratorin tätig war. Im Zentrum der prozessartig angelegten Kunst stehen dabei "Ruderalpflanzen", die umgangssprachlich durch die Bezeichnung Unkraut negativ besetzt sind. Diese Pflanzen stehen für das nicht Domestizierte, auch für das gesellschaftlich nicht Anerkannte.

Wie spannend und gesellschaftskritisch das Gesamtkunstwerk der Weinbergers ist, zeigt jetzt eine große Schau im Linzer Lentos. Die Einzelausstellung, im heurigen Kunstherbst eine der überzeugendsten Präsentationen von Gegenwartskunst, verlangt eine genaue Auseinandersetzung. Erst durch eingehende Betrachtung erschließt sich das komplexe und meditative Gesamtwerk, das aus Pflanzen-Projekten ("Mobile Landschaften" oder "Transportable Gärten"), Zeichnungen, Malereien, Fundgegenständen, Texten, Filmen und Fotos besteht. Aufschlussreich ist dabei die Begegnung mit frühen Arbeiten von Lois Weinberger aus einer Zeit, als noch keiner am Kunstmarkt einen Cent dafür hergegeben hätte.

Weinbergers, die sich als Feldarbeiter verstehen, setzen sich auf umfassende und unkonventionelle Weise mit dem heutigen Naturbegriff auseinander. Durch genaue Beobachtung der Umwelt, durch Dokumentation und minimale Eingriffe schaffen sie künstlerisch-wissenschaftliche Arbeiten, deren Relevanz über die Grenzen der Kunstszene weit hinausreicht und die gerade in ihrem poetischen Charakter durchaus politisch zu verstehen sind. So füllten Weinbergers in "Transportable Gärten" Erde in karierte Kunststofftaschen, wie sie gerne von Migranten oder Obdachlosen verwendet werden, und pflanzten Samen hinein. Die Taschen wurden dann im Freien abgestellt und sich selbst überlassen - sie mussten sich wie Flüchtlinge in der neuen Umgebung behaupten.

"Wachsen mag, was wachsen will"

Wie gesellschaftlich relevant die Frage nach der Ordnung und Unordnung der Natur ist, zeigten auch die heftigen öffentlichen Debatten rund um das 1998/99 entstandene skulpturale Objekt "Einfriedung" vor dem Campus der Universität Innsbruck. Anstelle eines Monuments haben Weinbergers hier einen 37 Meter langen und vier Meter hohen, käfigartigen Raum mit einer Erdschicht geschaffen. Ohne dass dieser "Käfig" bepflanzt wurde, entstand allein durch Wind und Vogelflug innerhalb weniger Jahre ein Urwald mitten in der Stadt - frei unter der Devise: "Wachsen mag, was wachsen will."

Lois & Franziska Weinberger

Lentos Kunstmuseum Linz

Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz

bis 25. 1. 2009, tägl. 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr.

Zur Ausstellung erscheint ein Künstlerbuch, hrsg. vom Lentos Kunstmuseum, Nürnberg 2008, 176 Seiten, e 17,-

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