Das Liechtenstein Museum ermöglicht einen Vergleich der Manufakturen in Wien und in der Toskana und lässt die Faszination des weißen Goldes erleben.
Lange ist es China gelungen, die Geheimnisse seiner Porzellanherstellung zu hüten. Erst 1710 begann in Meißen die erste europäische Porzellanproduktion. Sie löste einen Boom aus: Ein Herrscher- oder Fürstenhaus, das auf sich hielt, konnte nicht mehr von Metalltellern essen, auch wenn sie noch so schön vergoldet waren; es musste Porzellan sein. Also florierte Meißen. Das schrie, wie wir sein Robert Musil wissen, nach einer österreichischen Parallelaktion: 1717 rief Kaiser Karl VI. öffentlich zur Gründung einer Porzellanmanufaktur auf - und fand in Claudius Innocentius du Paquier einen genialen Abenteurer, der sich vornahm, zum "Ersten Erfinder der allhiesigen Porzellanfabrik" zu werden.
Konkurrenz mit Meißen
Leicht war das nicht, denn August der Starke verhielt seine "Arkanisten" (die in das Geheimnis der Porzellanerzeugung Eingeweihten) unter Androhung der Todesstrafe zur Geheimhaltung ihres durch Jahrzehnte gewachsenen Wissens. Trotzdem konnte Du Paquier mit großen finanziellen Versprechungen einige Leute abwerben. In der heutigen Liechtensteinstraße ließ er einen Brennofen errichten, und bald darauf entstand die Manufaktur in jener Straße, die bis heute Porzellangasse heißt.
Nicht nur diese Nachbarschaft, sondern vor allem die eigenen Bestände - die Fürstenfamilie Liechtenstein gehörte zu den frühesten und beständigsten Abnehmern der Manufaktur du Paquier - sind der Grund, dass das Liechtenstein Museum jetzt eine Ausstellung mit barockem Porzellan zeigt. Sie legt politische, wirtschaftliche und künstlerische Verbindungsschienen offen, die man den guten alten Gefäßen gar nicht zugetraut hätte. "Porzellan wurde bisher immer nur isoliert betrachtet", sagt Direktor Johann Kräftner gegenüber der Furche. Und erklärt es nicht nur als Materialisation höfischer Lebenskultur, sondern als Schnittpunkt eines verzweigten künstlerischen Formeninventars. Da ist die etwa die Mode der Chinoiserie, in der sich echte Importe aus China mit europäischen Imitationen verbinden, in der Ausstellung großartig dokumentiert durch eine Tapete aus der ehemaligen Ausstattung des Schlosses Schönborn in Göllersdorf. Motive dieses den Zeitgeschmack prägenden Luxusartikels finden sich auf Porzellan wieder. Dazu kommt das für den Wiener Barock charakteristische "Laub- und Bandelwerk", aber auch der von naturwissenschaftlichem Interesse geprägte Detailrealismus vieler Tierdarstellungen. Grafiken, Bücher und Textilien schließen die Bildquellen der Porzellanbemalung auf.
Die politische und wirtschaftliche Schiene, die die Porzellanausstellung dokumentiert, verlief zwischen Wien und Florenz. 1737 wurde Franz Stephan von Lothringen, der Gemahl Maria Theresias, nach dem Aussterben der Medici-Dynastie als Großherzog der Toskana eingesetzt. Das war die Stunde des Marchese Carlo Ginori, der sich als geschickter politischer Vermittler auch gleich das Privileg zu verschaffen wusste, eine Porzellanmanufaktur in der Doccia bei Florenz gründen zu dürfen. Die Ausstellung ermöglicht erstmals einen umfassenden Vergleich der Manufakturen in Wien und in der Toskana.
Eine Spezialität der Manufaktur von Marchese Ginori waren großformatige Figuren und Figurengruppen, wie sie keiner anderen Porzellanmanufaktur in Europa gelingen sollten. Die größte der ausgestellten Porzellanfiguren, die 132 cm hohe "Venus Medici", demonstriert eindrucksvoll das technische Können. Gearbeitet ist sie nach der gleichnamigen Bronze von Massimiliano Soldani Benzi, die Teil der Dauerausstellung des Liechtenstein Museums ist. Die gemeinsame Ausstellungvon Wachsmodellen, Bronze- und Porzellanskulpturen macht auf erregende Weise nicht nur den Entstehungsprozess deutlich, sondern vor allem das Spezifische des Materials.
Einzigartige Exponate
Über 300 Exponate lassen die Faszination nacherleben, die die Porzellankunst im 18. Jahrhundert ausübte. Viele kommen aus den eigenen Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein, etliche aus europäischen und nordamerikanischen Museen und Privatsammlungen, einige verlassen erstmals seit 250 Jahren die Palazzi ihrer Besitzer.
Barocker Luxus Porzellan
Liechtenstein Museum
Fürstengasse 1, 1090 Wien
Bis 29. 1. 2006 Mi-Mo 9-20 Uhr
Umfangreicher Katalog im Prestel
Verlag (deutsch und englisch ): e 48,-
Infos zu den zahlreichen Rahmenprogrammen (u. a. Malwettbewerb und Weihnachts-Porzellanmalen für Kinder oder die Möglichkeit, Porzellanmalern bei ihrer Arbeit zuzusehen):
www.liechtensteinmuseum.at