Prags neuer Erzbischof

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Seit April hat Prag einen neuen Erzbischof: Dominik Duka "kann", anders als Vorgänger Miloslav Vlk, mit Václav Klaus & Co. Der Neue an Tschechiens Kirchenspitze muss sich um ein größeres Gewicht seiner Kirche bemühen.

Am 17. November, dem tschechischen Nationalfeiertag, lud der neue Erzbischof von Prag, Dominik Duka, in den Veitsdom zu einem ökumenischen Wortgottesdienst, an dem auch die Spitze des Landes teilnahm.

Die Furche: Sie haben im Prager Veitsdom der Studenten gedacht, die 1989 auf die Straße gingen.

Erzbischof Dominik Duka: Vor 21 Jahren fand in Prag eine Demonstration auf der Nationalstraße statt, im Gedenken an den Studenten Jan Opletal, der 1939 zum ersten Opfer der Nationalsozialisten wurde. Diese Demonstration war sowohl gegen die Nazis als auch gegen die Kommunisten gerichtet. Meine Mitbrüder und ich waren an diesem Tag in der nahe gelegenen Kirche St. Ursula zur Abhaltung der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften zusammengekommen. Das war damals noch illegal. Es war ein Zufall, dass wir uns zur selben Zeit gerade in der Nähe aufhielten. Mir war klar: Das Ende des Kommunismus ist da.

Die Furche: Haben Sie damals mitdemonstriert?

Duka: Nein, leider konnten wir nicht auf die Straße gehen. Die Geheimpolizei hatte es verboten. Aber wir öffneten die Türen der Kirche und so konnten die Studenten vor den Ausschreitungen der Polizei Zuflucht finden. Das war ein Glück. Einige Jahre nach der Wende feierte ich dann ein Requiem in St. Ursula, zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und des Kommunismus. Jetzt konnte ich als Erzbischof von Prag diese Initiative aufgreifen und am Nationalfeiertag Präsident Václav Klaus, Premierminister Petr Ne?cas und andere Regierungsmitglieder in den Veitsdom zu einem ökumenischen Wortgottesdienst einladen.

Die Furche: Sie haben zu Präsident Klaus ein freundschaftliches Verhältnis. War das ausschlaggebend für die rasche Einigung rund um die Restitution des Veitsdoms?

Duka: Sicher war es von Vorteil, dass ich seit 21 Jahren meine Beziehung zu Václav Klaus und anderen Politikern gepflegt habe. Mit Václav Havel saß ich vor der Wende 15 Monate lang im Gefängnis. In der Zeit ist eine wirkliche Freundschaft zwischen uns entstanden. Klaus stammt auch aus dem Kreis um Havel. Seit der Wende stand ich dann mit ihnen noch enger in Kontakt. Das war notwendig, weil es bereits um die Frage der Restitution der Klöster und Kirchen ging. Seit 1950 waren ja alle Klöster geschlossen und die Orden mussten im Untergrund weiterarbeiten. Der Streit um den Veitsdom spitzte sich leider zwischen meinem Vorgänger, Kardinal Miloslav Vlk, und Präsident Klaus zu und wurde zu einem Politikum. Dabei gab es auch Momente, wo Vlk und Klaus gut miteinander auskamen.

Die Furche: Das Misstrauen gegenüber der katholischen Kirche scheint in der tschechischen Bevölkerung immer noch groß zu sein. Hat das historische Gründe?

Duka: Sicher gibt es historische Gründe für ein gewisses Misstrauen unter der Bevölkerung gegenüber der kirchlichen Institution. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war die Hierarchie von Mitgliedern aus der Aristokratie besetzt. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg hat die katholische Kirche viele Mitglieder verloren, wobei 25 Prozent davon in die tschechoslowakische Nationalkirche eingetreten sind. Der politische Nationalismus des 19. Jahrhunderts war das eigentliche Problem, das schließlich die Tragödie des 20. Jahrhunderts ausgelöst hat. Wir haben damals das Kreuz für das Hakenkreuz und später für den roten Stern eingetauscht.

Die Furche: Hatte diese Entwicklung auch mit der hussitischen Tradition in Tschechien zu tun?

Duka: Das Hussitentum ist theologisch betrachtet bereits im 16. Jahrhundert ausgestorben. Es war eine Protestbewegung einiger Radikaler und Fanatiker, die in den Städten und Universitäten Böhmens aktiv waren. Sie waren aber bald selbst untereinander zerstritten. Also sind einige Radikale zu den Reformierten übergetreten und andere Konservative wieder in die katholische Kirche zurückgekehrt. Die heutige hussitische Kirche stammt aus dem 19. Jahrhundert. Sie hat mit der alten Bewegung nichts mehr wirklich gemeinsam und trägt nur noch ihren Namen. Nach 1918 hatte sie rund eine Million Mitglieder, heute sind es nur noch 100.000.

Die Furche: Aber auch praktizierende Katholiken sind heute in Tschechien eine schwindende Minderheit. Hat die Kirche die Chance nach der Wende nicht genützt?

Duka: Die Zeit der Euphorie rund um die Wende war kein normaler Zustand. Außerdem war nur ein Teil der Bevölkerung euphorisch, denn ein Drittel der Bevölkerung war mit dem Kommunismus zufrieden. Diese Leute hatten davor Angst, was danach kommen würde. Sie meinten, die Kirche würde die Stelle des Kommunismus einnehmen.

Die Furche: Auch die Kirche kam dann in der "Normalität" an.

Duka: Bald mussten wir die Frage der Rückgabe kirchlichen Eigentums lösen. Das war eine Zeit der Resignation. Es wurde die politische Szene und die Wirtschaft umgebaut, aber auch in der Kirche gab es eine große Infrastruktur, die wir instand setzen mussten. Das hat viel Kraft gekostet. Vielleicht haben wir in den 90er-Jahren zu viel Zeit und Energie darauf verwendet. Aber es stimmt nicht ganz, dass es in Tschechien um die katholische Kirche so schlecht bestellt ist. Wir haben zum Beispiel seit der Wende keine antiklerikale Politik. Es entspricht einem Klischee, wenn man immer wieder sagt, Tschechien sei so antiklerikal. Die Hälfte der Bevölkerung ist getauft, aber nur ein Drittel bekennt sich dazu. Rund 60 Prozent erklärt, sie seien Atheisten, gleichzeitig halten sie fest, dass es irgendetwas danach wohl geben muss.

Die Furche: Wie steht es um die Verhandlungen um ein Konkordat?

Duka: Wir hoffen, dass die Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl bezüglich der Restitution und der ökonomischen Situation der Kirche vorangehen. Wir stehen da gerade erst am Anfang. Aber mittlerweile haben alle Interesse an einer Lösung des Problems. Nicht nur die Kirche, sondern auch die Städte, Dörfer, die Regionen und sogar die jüdische Gemeinde - alle suchen gemeinsam nach einer Lösung für die Restitution und ein Modell für die Finanzierung der Kirchen. Auch der Staat hat bereits entdeckt, dass die Kirche ein besserer Verwalter der alten Kulturdenkmäler ist als er selbst.

Die Furche: Es geht der katholischen Kirche also wieder besser?

Duka: Wenn ich durch Westeuropa reise, stelle ich fest, dass auch dort kaum junge Leute in den Kirchen sind. Die Kirche durchlebt in ganz Europa eine Zeit der Krise. Aber hier in Tschechien nimmt das Interesse an der Kirche vor allem unter den Jüngeren wieder zu. Das hat auch der Besuch von Papst Benedikt XVI. im September 2009 gezeigt. Es war für uns überraschend, dass mehr Gläubige an den Gottesdiensten teilnahmen als beim letzten Besuch von Johannes Paul II.

Die Furche: Was sind die größten Herausforderungen für die Kirche?

Duka: Ja, was sind unsere Prioritäten? Das fragte ich mich auch einmal in einem Gespräch mit meinem Ordensbruder Kardinal Christoph Schönborn. Wir beide sind zum Schluss gekommen, dass wir eine neue Form der Katechese brauchen, aus der sich dann neue Berufungen entfalten können. Benedikt XVI. hat gesagt, dass die Katechese in einem schrecklichen Zustand ist. Wir haben leider über viele Jahre hinweg verabsäumt, eine gute Katechese in den Schulen einzurichten und sind auf einem sehr niedrigen Niveau stehengeblieben. Wir hoffen aber, dass sich das bald ändern wird.

* Das Gespräch führte Marie Czernin in Prag

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