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Mit Otto Wagners Postsparkasse ist nunmehr eines der wichtigsten Baudenkmäler Wiens zu besichtigen.

Es passiert relativ selten, dass eine bahnbrechende gesellschaftpolitische Idee und eine passgenaue Architektur zusammenfinden; allzu oft trifft man bloß auf mehr oder minder erträgliche Kompromisse. Einen dieser besonderen Glücksfälle einer gelungenen Verbindung hat Wien anzubieten. 1883 wurde das "k.k. Postsparcassen-Amt" eröffnet, das Konzept dazu stammte vom späteren Leiter, Georg Coch. Ein Konzept, das nicht nur den kleinen Leuten Anreiz zum Sparen bot, sondern das Postämternetz als Infrastruktur nutzte und mit dem geschickten Einsatz von Girokonten genug Geld verdiente, um zwanzig Jahre nach seiner Gründung Otto Wagner mit dem Bau eines der wichtigsten Baudenkmäler der Stadt zu beauftragen.

Veredelte Funktionalität

Wie sehr sich hier Bauherr und Architekt im gemeinsamen Projekt trafen, zeigt bereits das Wettbewerbsverfahren. Wagner hatte entgegen der Ausschreibung Kassensaal und Schecksaal zusammengelegt, woraufhin ihn einige Jurymitglieder aus der engeren Wahl ausscheiden wollten. Aber von den Vertretern der Postsparkasse wurde dies als eine funktionale Verbesserung angesehen. Wagner selbst zählt die Vorteile für die Bank auf: eine einfachere Auffindbarkeit aller Schalter, die leichte Kontrolle über die frequentierenden Parteien und völlige Ausnützung der entstehenden größeren Raumform. Es geht ihm nicht mehr um eine Verzierungsarchitektur wie bei den damals vorherrschenden Stilen, sondern um eine veredelte Funktionalität.

Man merkt diesem Bau an, dass Wagner das Bauen nicht nur hinter dem Reißbrett an der Akademie gelernt, sondern sich während seiner Praxis als Maurerlehrling auch den Blick auf die kleinen Dinge angeeignet hat. So entwarf er seine Projekte auch gemäß seinem Grundsatz: "Etwas Unpraktisches kann nicht schön sein." Ein Nachgeborener, umgeben von auf reine Funktionalität reduzierten Einheitsbauten, zuckt bei einer derartige Maxime leicht zusammen. Aber Wagner ist diesem Missverständnis von zweckmäßiger Architektur nicht verfallen. Seine Einfachheit der Formen ist getragen von großer Könnerschaft und nicht vom Unvermögen von Mittelmäßigen, die Künstler spielen.

Zweckmäßige Architektur

Wagner zog einen Ziegelbau mit Stahlbetondecken auf und verzichtete auf die herkömmliche langwierige Bauweise mit Steinen. Für die Fassade bediente er sich der mittlerweile berühmten Vertäfelungsmethode. Die Fixierungen für die angebrachten Marmorplatten aus Messing, die eigentlich nur während des Trocknungsprozesses nötig gewesen wären, lässt er als dekorative Elemente stehen und entgeht damit der Eintönigkeit mancher Nachfolgebauten. Insgesamt war der gesamte Bau kostengünstig, dauerhaft und wartungsfreundlich, funktional ausgeklügelt und bot den Mitarbeiterinnen eine freundliche und hygienische Arbeitswelt. In der Rekordzeit von nur 26 Monaten entstanden 15.700 Quadratmeter Nutzfläche.

Bei der Inneneinrichtung bedient sich Wagner einer doppelten Strategie. Einmal setzt er das Prinzip der Typisierung ein, indem er auf eine große Stückzahl gleicher oder verwandter Formen setzt; und auf das Prinzip der Hierarchisierung, indem er die Räumlichkeiten je nach Status unterschiedlich ausstattet.

Kleinste Details gestaltet

Dieses ausgezeichnete Ressourcenmanagement hielt aber Wagner nicht davon ab, auch noch das kleinste Detail einer eigenen Gestaltung zu unterziehen. Schon der zeitgenössische Kritiker Ludwig Hevesi bemerkte dazu: "Überhaupt keine Dutzendware, jeder Schmarrn ist gezeichnet." So besticht das Ensemble durch sein Mobiliar genauso wie durch die schwarz-weißen geometrischen Dekorfriese, durch die Alu-Luftausbläser genauso wie durch den Boden aus Glasbausteinen und dem Luftigkeit vermittelnden Glasdach. Dass die Postsparkasse nun in einem Museumsbereich auch eine Dokumentation des Hauses anbietet, rundet den Genuss ab.

Wagner:Werk

Museum Postsparkasse

Georg Coch-Platz 2, 1018 Wien

Mo, Di, Mi, Fr 8-15, Do 8-17.30 Uhr

Publikation: Jan Tabor, Otto Wagner.

Die Österreichische Postsparkasse,

Wien 1996, 72 Seiten, e 21,

www.ottowagner.com

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