Problembären und Euromuffel

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Zu den vorrangigen Aufgaben der Sprache, besonders ihres Wortschatzes, gehört die Benennung der Realität, in der der Mensch lebt. Was aber tun, wenn uns der technische Fortschritt neue Fakten und Verfahren beschert, die nach entsprechender Bezeichnung verlangen? In früheren Zeiten hat man da zu Sprachbildern gegriffen, die so konventionell geworden sind, dass ihr metaphorischer Charakter kaum noch auffällt: denken wir nur an den Strom, der aus der Steckdose kommt, oder die Feder, mit der wir schreiben oder die in Fahrzeugen elastische Wirkung entfaltet.

Wo es um modernes Lebensgefühl und zeitgeistige Annehmlichkeiten geht, sind rasch Fremdwörter zur Hand, die mit ihrer Herkunft auch Begleitgefühle von Luxus und Komfort vermitteln. Was in früheren Generationen die Sauna war, sind heute Wellnesstempel und Fitnessoasen, von Walkingparadiesen ganz zu schweigen. Dem exotischen Milieu und Luxusvokabular sind kaum Grenzen gesetzt.

Aber auch der öffentliche Bereich bietet stets neue Daten und Fakten mit raschem Szenenwechsel und in kurzatmigem Lebenstempo. Da müssen also Neologismen her, auch wenn ihre Karriere nur zu Augenblicksbildungen reicht. Was ist medial nicht alles an uns vorübergezogen: in der Innenpolitik der Bärentaler und der Schweigekanzler, der Nadelstreifsozialismus und die Hacklerregelung. Aber manche Neuwörter wechseln oft rasch das emotionale Ufer: der Problembär als Feind der Ställe und Herden wird zum Sympathieträger für Naturfreunde und Urlauber. Andere "Schlaglichter" werden im Rückblick falsch verstanden. Baummörder hieß vor Jahrzehnten nicht ein bösartiger Feind der Natur, sondern ein Verbrecher mit bevorzugtem Tatort.

Und wie wird sich Dublin demnächst außenpolitisch entscheiden? Werden sich die Iren in Europhorie ergehen oder als Euromuffel, vielleicht gar als Eurochonder erweisen?

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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