Produktive Verletzungen: Adolf Frohner

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Das Niederösterreichische Landesmuseum widmet Adolf Frohner eine gelungene Retrospektive.

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Das Niederösterreichische Landesmuseum widmet Adolf Frohner eine gelungene Retrospektive.

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Mitte der 60er Jahre setzte sich Adolf Frohner, einer der Initiatoren des Wiener Aktionismus, intensiv mit dem Werk von Adalbert Stifter auseinander. Obwohl er in der Mittelschule schlechte Erfahrungen mit diesem Autor gemacht hatte, griff er noch einmal zu den Büchern des Bewahrers bestehender Ordnungen. Besonders angetan hatte es Frohner Stifters umfangreicher Bildungsroman "Der Nachsommer". Die Affinität zum konservativen Dichter fand auch einen künstlerischen Niederschlag. "Reflexionen zu Adalbert Stifter" nennt sich der aus neun Zeichnungen bestehende Zyklus, in denen Frohner die Erinnerung an die gelesenen Texte einfängt. Dabei vermeidet er jede Illustration. Tastend werden die Figuren, Köpfe und Torsi erfasst, wie Landschaften fügen sie sich auf das Blatt. Die großen freien, gestischen Zeichnungen, in denen sich ein Wechselspiel zwischen Bewegung und Ruhe ausdrückt, begleiten die Gedankenwelt des Dichters.

Die Folge von Zeichnungen bildet einen markanten Gegenpol zur gezeigten Auswahl aus dem Werk Frohners. An etwa 100 Exponaten - Zeichnungen, Malerei, Mischtechnik - wird die Entwicklung dieses keiner Gruppe und keinem Stil angehörenden Künstlers veranschaulicht. Ausgezeichnet führt die Schau vor Augen, wie sich Frohner, trotz aller Wandlungen und Veränderungen, treu geblieben ist. Die Ausdruckskraft und emotionale Wucht seiner Arbeiten ist bereits in seinen ersten Zeichnungen erkennbar. Diese aus den späten 50er Jahren stammenden Werke sind Zeugen des Erfassens innerer und äußerer Wirklichkeit. Frohner verarbeitet darin die Erfahrungen der abstrakten Maler - das Umsetzen aus dem Unbewussten, das Freisetzen formaler Kriterien, die in seiner Psyche verankert sind.

Auch für die Phase der Materialbilder, in denen Frohner vorgefundene Materialien aus der Realität in die Bilder übernimmt, bietet die Ausstellung Beispiele. So verarbeitet er die Sgrafitti und die topografische Literatur der Subkultur. Ein Beispiel dafür ist die großformatige Collage "Jakobsleiter", in der Frohner Zement, Jute, Fotocollagen und Ölfarbe einsetzt. Frohners Lieblingsmaterialien werden nun die Überreste und Abfallprodukte der Konsumgesellschaft. Die Banalitäten, das Alltägliche, die Tragik wird sichtbar gemacht, indem Gerümpel, ausgediente Sessel, alte Matratzen in ihre Bestandteile zerlegt, deformiert und wieder zusammenmontiert werden. Die Destruktion, der Verfall und das bisher Formlose macht Frohner für die Kunst verfügbar.

Frohners Erbe des Aktionismus war, dass Leben nicht ohne fortwährende Verletzungen möglich ist. Auf diese Verletzungen nicht mit Verzweiflung und Resignation zu reagieren, sondern sie in eine Quelle der Produktion zu verwandeln, wird nun zur Maxime Frohners. Für diese Vitalität fand er eine Grundformel - die Darstellung der weiblichen Figur. Sie repräsentiert für Frohner das Prinzip Leben. Dabei verzichtet er auf ein klassisches Schönheitsideal, sondern entscheidet sich für die Unvollkommenheit, für die Darstellung der Deformation. Dieses Thema bearbeitet er in immer neuen Variationen. In den 1970er Jahren ist dabei die Zeichnung sein bevorzugtes Medium. Das 1985 entstandene Bild "Wieder Malerei" markiert mit seinem programmatischen Titel den Beginn einer neuen, malerisch dominierten Werkphase. Auch diese beiden Schaffensperioden sind in der gut zusammengestellten Schau mit zahlreichen Werken vertreten.

ADOLF FROHNER - Zeichnungen, Mischtechnik, Malerei 1958-2002.

Nö. Landesmuseum,

Franz-Schubert-Platz 5, 3109 St. Pölten

Bis 26. Oktober Di-So 10-18 Uhr

www. landesmuseum.net

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