"Proletarische" Musiksprache, bisweilen "schamlos melodisch"

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In seiner Reihe "Musik des Aufbruchs" zeigt das Wiener Jüdische Museum eine Ausstellung über Hanns Eisler. Der aus Österreich stammende Komponist galt den Nazis als "entartet", der Nachkriegsavantgarde als "reaktionär", sein Schaffen stellte er ganz in den Dienst des "Arbeiter- und Bauernstaates" DDR - auch deren Hymne wurde von ihm komponiert.

Ausgerechnet zwei österreichische Komponisten waren es, die auf musikalischer Ebene die Teilung Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts symbolisierten: In Westdeutschland diente Joseph Haydns altes Kaiserlied als Nationalhymne. Und die ostdeutsche Hymne wurde von Hanns Eisler komponiert. Im Gegensatz zu Haydn (200. Todestag) und der Deutschen Teilung (Fall der Berliner Mauer 1989) steht bei Eisler (1898-1962) zwar kein runder Gedenktag an, dennoch widmet das Jüdische Museum Wien dem Komponisten und seiner außergewöhnlichen Biografie eine Ausstellung: "Hanns Eisler - Mensch und Masse".

Es ist die jüngste Schau der Reihe "Musik des Aufbruchs", die sich jenen gemäßigt modernen Komponisten des 20. Jahrhunderts widmet, deren Andenken gleich zweimal gelöscht wurde: zunächst von den Nationalsozialisten vertrieben und verfemt ("entartete Musik"), dann von der Avantgarde der Nachkriegszeit als "reaktionär" und somit als irrelevant gebrandmarkt.

Was Eisler von Erich Wolfgang Korngold oder Franz Braunfels unterscheidet, ist die Tatsache, dass er als Komponist in der Nachkriegszeit noch gefragt war, wenngleich lediglich in der DDR. Eisler komponierte nicht nur die ostdeutsche Hymne, die aufgrund der zahlreichen sportlichen Erfolge der DDR weite Verbreitung fand, sondern auch in Ostdeutschland populäre Volks- und Kinderlieder. In Ostberlin erhielt Eisler einen Lehrstuhl an der Musikhochschule und wurde auch in die Akademie der Künste aufgenommen. In seiner Heimatstadt Wien hingegen hatte er als überzeugter Kommunist und als abtrünniger Schüler von Arnold Schönberg keine Chance, wieder Fuß zu fassen.

Eislers Anliegen war es, eine "proletarische" Musiksprache zu schaffen, die von höherer Qualität als die herkömmliche Populärmusik, aber nicht so abgehoben und unzugänglich wie die von ihm verachtete "bourgeoise" Avantgarde sein sollte. Seine Kompositionen waren zwar gelegentlich zwölftonig, aber dennoch leicht fasslich, manchmal "schamlos melodisch", wie der Ausstellungskatalog leicht pikiert festhält.

Zusammenarbeit mit Bert Brecht

Eisler wurde mit Kampfliedern bekannt, die in der Parallelkultur der Arbeiterbewegung großen Anklang fanden. Sein Schaffen in der Zwischenkriegszeit ist ein Musterbeispiel für Agitprop, also die kompromisslose Indienstnahme von Kunst für die marxistische Doktrin. Dazu zählt auch die künstlerisch äußerst fruchtbare Zusammenarbeit mit Bert Brecht, der unter anderem das als "Lehrstück" bezeichnete Drama "Die Maßnahme" und die Deutsche Sinfonie, wohl Eislers Hauptwerk, entsprangen.

Eisler hatte keine Berührungsängste mit dem Populären. Während seines Exils in den USA schrieb er die Musik für einige Hollywood-Filme und wurde sogar zweimal für den Oscar nominiert. Womöglich hätte Eisler nicht als DDR-Staatskünstler, sondern als Hollywood-Filmmusikkomponist geendet, wenn er nicht aufgrund seiner Gesinnung vor dem Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeiten gelandet und des Landes verwiesen worden wäre. Das war eine prägende Erfahrung: Obwohl Eisler in der DDR seine politischen Vorstellungen verwirklicht glaubte, trotz gelegentlicher Konflikte loyal zum Regime stand und auch den Mauerbau befürwortete, behielt er bis zuletzt seinen österreichischen Pass samt Zweitwohnsitz - ein "Kommunist mit Urlaubsschein", wie Ausstellungskurator Michael Haas anmerkt.

Hanns Eisler - Mensch und Masse

Jüdisches Museum Wien

Dorotheergasse 11, 1010 Wien

bis 12. Juli, So-Fr 10-18 Uhr

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