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Die Mobilisierung aller Sinne ist im Gange. Denn gefälliger fürs Geschäft könnte der Mond nicht sein, der am 11. August des heurigen Jahres just um die Mittagszeit in die Strahlenbahn der Sonne tritt und diese total verfinstert. Das Naturschauspiel schlägt sich bis auf die Teller nieder, auf denen findige Köche eigene Dunkelgerichte servieren lassen wollen. In weniger kreativen Lokalen gibt es vielleicht eine Kerze oder eine Taschenlampe zum Essen. In Gmunden wird zum Anlaß ein eigenes "Finsternis-Bier" ausgeschenkt. Prost denn, auf unsere liebe Sonne!

Der Fremdenverkehr jubelt. In den besonders beobachtungsfreundlichen Gebieten, zu denen viele Tourismusregionen Österreichs zählen, sind die Vorausbuchungen zum Finsternis-Termin so hoch wie noch nie. Eine Welle von Events, vom Sonnenfinsternis-Straßentheater bis zu Musik-Premieren, begleitet das kosmische Licht-Spektakel. Am Stoderzinken bei Gröbming zum Beispiel wird bei einer neuen Sonnenuhr ein "Opus for the Sun" uraufgeführt. Über dem Stift Schlägl im Mühlviertel wird eine Klangwolke die finstere Sonne feiern. Beschaulichere Gemüter brechen indes einzeln oder massenweise zu Finsternis-Wanderungen auf und lauschen dem Verstummen und der sonstigen Reaktionen des Getiers, wenn die Sonne plötzlich ausbleibt. Adalbert Stifter hat das schon 1842 sehr poetisch und naturkundlich beschrieben, als es die letzte totale Sonnenfinsternis gab. Die vornehme Gesellschaft trifft sich zum Finsternis-Cocktail in Graz, möglichst in Oldtimern anreisend. Nicht überall gibt es freilich gratis jene getönten Schutzbrillen, ohne die schon der minutenlange Anblick der Sonnen-Corona fürs Auge sehr schädlich sein kann. Aber wer beispielsweise zur speziellen Finsternis-Fahrt auf den Feuerkogel antritt, der erhält als aufmerksames Service die Brille dazu.

Nein, diesmal soll hierzulande niemand den Managern und Experten vorwerfen, sie hätten die Sonnenfinsternis verschlafen und die Gunst der dunklen Minuten nicht kreativ und vielfältig genutzt. Den Esoterikern und Amateur-Schamanen wird, soweit bisher bekannt, kein Stein in den Weg gelegt. Es steht im freien Österreich jedermann frei, die dunkle Sonne in geheimnisvollen Kulten mit Sprüchen und Liedern zu verehren und die Kräfte des Gestirns beschwörend zu propagieren. Kein Hexen-Verein, wird daran gehindert, solange er nichts Kriminelles unternimmt, sich dem Zauber des Ereignisses kollektiv hinzugeben.

In England, in Irland und in der Bretagne, wo keltische Druiden ihre seltsamen Spuren hinterlassen haben und moderne Adepten massenhaften Zulauf zu neuen Kulten haben, sind die Behörden indessen besorgt. Wer weiß, was den Sonnenfinsternis-Anbetern da noch einfällt!

Wir alle aber werden auch ohne Events den Verdunkelungs-Gruß aus dem Kosmos wahrnehmen. Es wird uns, wenn wir dafür empfänglich sind, ein Schauder vor den Mächten und Dimensionen des Weltalls streifen, im Wissen um Galaxien von Ausdehnungen von Milliarden Lichtjahren, in denen sich täglich die Katastrophen und Explosionen des unendlichen Werdens und Vergehens ereignen. Eine irdische Sonnenfinsternis ist im Vergleich dazu ein harmloses Schattenspiel.

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