Prügel für den schwarzen Clown

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Rafael Padilla machte zu Beginn des 20. Jahrhunderts als erster schwarzer Clown in Frankreich Karriere, dennoch bekam "Monsieur Chocolat" immer auch den Rassismus der Weißen zu spüren.

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Rafael Padilla machte zu Beginn des 20. Jahrhunderts als erster schwarzer Clown in Frankreich Karriere, dennoch bekam "Monsieur Chocolat" immer auch den Rassismus der Weißen zu spüren.

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Nicht erst heute, sondern seit jeher verlangt das Publikum stets nach Neuem. Gering ist Ende des 19. Jahrhunderts folglich das Interesse in der nordfranzösischen Provinz an den Darbietungen eines Wanderzirkus, und auch der britische Clown Footit (James Thierrée) scheint den Höhepunkt seiner Karriere längst überschritten zu haben. Doch dann entdeckt er den schwarzen Zirkusarbeiter Rafael Padilla (Omar Sy), bildet mit ihm das Duo Footit & Chocolat, das bald Triumphe im Pariser Cirque Nouveau feiert. Klar verteilt sind dabei die Rollen, denn ganz im kolonialistischen Denken der Zeit bezieht der schwarze Chocolat zum Amüsement des weißen Publikums immer Prügel vom autoritären weißen Herrn.

Kindheit und Jugend Rafael Padillas, der in den 1860er Jahren auf Kuba als Sohn afrikanischer Sklaven geboren und etwa im Teenageralter als Arbeitskraft nach Spanien verkauft wurde, spart Roschdy Zem aus. Er lässt seinen Film erst mit der Begegnung von Footit und Rafael einsetzen, um ihn dann auch gut 20 Jahre später in der gleichen Region mit einer letzten Begegnung der beiden Clowns enden zu lassen.

In einem Mix aus Montagesequenz und Überblendungen zeichnet Zem zügig den rasanten Aufstieg Chocolats zum vornehm gekleideten Herrn mit Auto nach. Eine Lebensmittelkette macht ihn zum Werbeträger, Toulouse-Lautrec zeichnet eine Karikatur von ihm und die Brüder Lumiére machen mit dem Komikerduo einen Kurzfilm, der am Ende von "Monsieur Chocolat" gewissermaßen als Bonus gezeigt wird. Doch dass auch dieser Aufstieg ihn nicht vor Rassismus schützt, diesen vielmehr noch schürt, zeigt sich, als er von der Polizei wegen seiner fehlenden Papiere verhaftet wird.

Eine weitgehend vergessene Geschichte

Brutal lassen die Beamten ihn den Zorn über seinen Aufstieg mit Schlägen spüren, andererseits lernt er im Gefängnis einen haitianischen Intellektuellen kennen, der ihn zum Nachdenken über seine Rolle als Lachobjekt für die Weißen bringt.

Es ist Zem hoch anzurechnen, dass er eine weitgehend vergessene Geschichte erzählt und einem Unbekannten ein Denkmal setzt. Atmosphärisch stark und mit prächtiger Ausstattung lässt er die Belle Époque wieder auferstehen, bleibt aber bei aller Kritik am Rassismus auch zwiespältig, weil er das Kinopublikum wie das Zirkuspublikum von einst über die rassistischen Clownnummern lachen lassen will.

Nicht zu übersehen ist auch trotz der blendend harmonierenden und sichtlich mit Vergnügen agierenden Hauptdarsteller Omar Sy und James Thiérrée, dass Zem den Stoff nicht ganz in den Griff bekommen hat. Handwerklich ist "Monsieur Chocolat" zwar durchaus solide gemacht, aber zu viel packt Zem letztlich hinein, entfaltet zwar einen ereignisreichen Bilderbogen, bleibt dabei aber an der Oberfläche.

Kein Thema oder Konfliktfeld wird wirklich ausgearbeitet, sondern ohne wirkliche dramatische Steigerung wird Szene an Szene gereiht. Notschuldig abgehakt wird die Spielsucht, weil diese für Chocolats Biografie wichtig ist, und seine zahlreichen Affären mit Frauen werden -wohl nicht zuletzt um die Altersfreigabe niedrig zu halten - nur angedeutet.

Nur angerissen werden auch die Versuche Chocolats, sich als Darsteller in Shakespeares "Othello" von der ihm zugeteilten Rolle zu befreien und eine zweite Karriere zu starten; und nur Alibifunktion, um Einblick in die desolaten Lebensbedingungen der Unterschicht zu bieten, hat eine kurze Szene in einem Elendsviertel.

Zu sehr verlässt sich Zem auf Schauspieler und Ausstattung, vergisst aber völlig, mit seiner Regie Akzente zu setzen. Temporeich und unterhaltsam ist zwar die erste Hälfte, doch je mehr dieses Period-Piece unentschlossen zwischen der Geschichte der Freundschaft der beiden Clowns, einer großen Liebe Chocolats und seiner Emanzipation zu pendeln beginnt, desto mehr stellen sich auch Längen ein und es bleibt ein zwar ehrenwerter Film, der aber letztlich seinem Thema nicht gerecht wird.

Monsieur Chocolat (Chocolat)

F 2015. Regie: Roschdy Zem. Mit Omar Sy, James Thiérrée, Clotilde Hesme. Filmladen. 110 Min.

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