Psychodrama mit Wahnvorstellungen

Werbung
Werbung
Werbung

Carl Maria von Webers romantische Oper „Der Freischütz“ im Landestheater Salzburg. In der Inszenierung von Annilese Miskimmon, einer mehrfach ausgezeichneten irischen Regisseurin, findet die Wolfsschlucht-Szene, der musikalische Höhepunkt der gesamten Oper, in einem Wohnzimmer statt.

Wenn, wie es im Programmheft ganz richtig nahe gelegt wird, die Wolfsschlucht-Szene als der musikdramatische Höhepunkt der Weber-Oper „Der Freischütz“ anzusehen ist, dann sollte auch die Regie sich konsequenterweise daran orientieren. Die Musik macht deutlich, wie eine Kugel nach der anderen gegossen wird und wie sich schließlich Max mit einem Kreuzzeichen aus dem Teufelskreis rettet.

In der Salzburger Inszenierung von Annilese Miskimmon, einer mehrfach ausgezeichneten irischen Regisseurin, findet die Wolfsschlucht jedoch im Wohnzimmer statt; aus dem romantischen „bürgerlichen Familienmärchen“ mit dem himmlischen Triumph – „Das Ganze schließt freudig“ – sollte wohl so etwas wie ein Psychodrama mit Wahnvorstellungen und Projektionen werden.

Genau an diesem Punkt knarrt das Regiegebälk: Wenn man das volkstümlich-naive Märchen der Romantik in den Bereich der Psychoanalyse hebt, brechen die Chöre mit ihren (ironisch zu verstehenden?) Bewegungen – rechter Arm hoch, linker Arm hoch, Hände über der Brust kreuzen – von der Freudschen Psychocouch aus und werden nur lächerlich.

Wenn die „Bilder des Unheimlichen“ vorherrschen und den „Hauptcharakter der Oper“ geben sollen, dann ist ein gesprayter Kreis auf dem Wohnzimmerboden für das Grausen um Mitternacht einfach zu wenig. Allerdings: Man spart ein Bühnenbild.

Dass die Musik dominiert – in der Premiere leitete Musikdirektor Leo Hussein, der mit einem Bein schon in Frankfurt steht, umsichtig das gelegentlich zu laute Mozarteumorchester –, ist sehr schön und richtig, nur die dazugehörige Bilderwelt (Ausstattung Simon Lima Holdsworth) hätte eben konsequent auf ein Drama im Kopf Maxens abstellen oder aber der Romantik mit ihrem Märchentouch zu ihrem Recht verhelfen müssen.

Beeinträchtigte Textverständlichkeit

Während nun Daniel Kirch als Max und Marcell Bakonyi als Kaspar den Ansprüchen ihrer Partien gerecht werden, hörte man in der Premiere bei Julianne Borg als Agathe fast durchgehend ein Tremolo mit, hingegen ist Karolina Plicková als Ännchen in Gesang und Spiel eine achtbare Leistung zu attestieren. Dass die beiden Damen Deutsch nicht zur Muttersprache haben, beeinträchtigt allerdings die Textverständlichkeit.

Es bleibt noch positiv zu vermerken, dass die bisherigen Aufführungen unter Carl Philip von Maldeghem im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 25 Prozent mehr Besucher hatten, nämlich mehr als 42.000. Und das ist nach 100 Tagen neuer Intendanz mehr als beachtlich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung