Psychologe und Löwenbändiger

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Der künftige Grazer Schauspieldirektor Matthias Fontheim: Sinnlichkeit statt Kopftheater.

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Der künftige Grazer Schauspieldirektor Matthias Fontheim: Sinnlichkeit statt Kopftheater.

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Große Erwartungen setzt das Grazer Theaterpublikum in den von Herbst 2000 an amtierenden Schauspieldirektor Matthias Fontheim.

Aus einer Theaterfamilie stammend ist die Bühne seine Heimat, die er nicht für längere Zeit verlassen kann, ohne Heimweh zu bekommen. "Ohne die Familie des Theaters fühle ich mich entwurzelt, mir fehlt dann etwas ganz Wichtiges in meinem Leben", meint er.

Schon als Gymnasiast leitete er eine Laientruppe, spielte selbst und führte Regie. Nach dem Studium an der Schauspielakademie Zürich führte ihn sein Weg in gerader Linie zum Theater. Obwohl er auch als Schauspieler tätig war, verstand er sich doch in erster Linie als Regisseur. "Es macht mir einfach mehr Spaß, meinen eigenen Kram zu machen", meint er und betont, daß er sich aber immer einem Regisseur gern untergeordnet hat, der wußte, was er wollte und dies auch deutlich machen konnte.

Seiner Meinung nach ist es ein Vorteil, als Regisseur selbst auf der Bühne gestanden zu sein: "Man weiß, was man einem Schauspieler zumuten kann, und man weiß auch um die Schwierigkeiten." Es besteht aber die Gefahr, zu nachgiebig zu sein und darüber das eigene Konzept zu verlieren.

"Ein Regisseur ist ein Mittelding zwischen angewandtem Psychologen und Löwenbändiger", definiert er seinen Beruf. Wozu aber soll man heute noch Theater machen? Sind nicht Film und Fernsehen an die Stelle der Bühne getreten? "Aber nein", wehrt Fontheim heftig ab: "Das Theater ist ein Ort, an dem Menschen ein gemeinsames Erlebnis haben, eines, das mit Sinnlichkeit und Spielfreude Emotionen vermittelt und auslöst." Sinnlichkeit ist ein unverzichtbares Element, das abstrakte "Kopftheater" ist immer eine Sackgasse, weil es Menschen nicht berühren kann. "Natürlich muß man aber auch beim sinnlichen Theater denken. Man muß wissen, warum man ein Stück auf den Spielplan setzt, und man muß als Regisseur die Mittel kennen, wie man Sinnlichkeit transportiert."

Doch verändern kann das Theater die Gesellschaft nicht. Es kann immer nur den gesellschaftlichen Veränderungen nachfolgen, kann sie verdeutlichen, wird aber nie die Ursache sein. Das Theater ist ein Spiegel der Wirklichkeit. Daher hat es keinen Sinn, gesellschaftliche Phänomene auszuklammern, wie etwa die Grausamkeit, die uns heute so erschreckend umgibt.

Ohne diesen Bezug zu Realität wird das Theater zur Unterhaltungsshow. Nicht daß Fontheim etwas dagegen einzuwenden hätte: Weil seine zweite Liebe die Musik ist, Jazz, Rock und verwandte Richtungen, hat er auch Revuen und Abende mit Schauspielern inszeniert. Unterhaltung und Freude gehören zum Leben, daher auch zum Theater. Und dabei zeigt sich Fontheim als Optimist: "Ja, das Leben ist schön, und ich versuche, es zu genießen."

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