Purcell und Brimborium

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Szenisch verulkt, musikalisch geglückt: Henry Purcells Oper "King Arthur" bei den Salzburger Festspielen.

Ein Werk fast genauso alt wie der Ort, an dem es gespielt wird: Als erste Musiktheaterproduktion der Salzburger Festspiele 2004 stand in der 1693 errichteten Felsenreitschule der 1691 entstandene "King Arthur" von Henry Purcell auf dem Programm - das ideale Stück also für diesen Raum? Im Grunde nein: denn wenn auch Purcells Werk die Bezeichnung "Dramatick Opera" trägt und von den Festspielen im Opernangebot geführt wird, so ist das Werk doch wesentlich weniger Oper als vielmehr Schauspiel mit Musik. Für die recht umfangreichen Sprechpassagen ist aber die Felsenreitschule in akustischer Hinsicht kein optimaler Raum, selbst wenn von Regie und Bühnenbild versucht wurde, die Darsteller sehr nahe an das Publikum heranzubringen. Allerdings tat auch eine bei manchen Schauspielern kaum mehr kultivierte Sprechtechnik ein übriges, dass die Textverständlichkeit zuweilen erheblich litt.

Verliebter, englischer Royal

Textautor John Dryden nannte "King Arthur" ein Werk mit Szenen, Maschinen, Gesang und Tanz - ein buntes Theatervergnügen also. Genau dies dürften Regisseur Jürgen Flimm, Bühnenbildner Klaus Kretschmer und Kostümbildnerin Birgit Hutter bei der Realisierung der Salzburger Neuproduktion vor Augen gehabt haben. Die Geschichte um den englischen König Arthur, der in die blinde Emmeline verliebt ist, der aber, bis er sie endgültig für sich gewinnen kann, erst - nebst einer Reihe von zauberhaften Prüfungen - den Kampf gegen seinen sächsischen Widersacher Oswald zu bestehen hat, erlebte man in der Felsenreitschule als farbenfrohe "Mulimediashow" mit ganz alten, in ihrer händischen Technik auch sichtbaren Theatertricks: Flug- und Schneemaschinen waren ebenso dabei wie - bei der Premiere am 24. Juli nicht ganz klaglos funktionierende - Film- und Videozuspielungen mit viel Witz und ausgeprägter Atmosphäre. Gar viele lustige Ideen sind dem Regisseur in den Sinn gekommen - zu viele, denn im Ganzen ließ er seine Produktion zu einer banalen Show verkommen. So originell mancher Einfall auch für sich wirken mochte, so läppisch und billig wirkte die ununterbrochene Aneinanderreihung von platten Gags und klamottigen Momenten. Theatralische Poesie fehlte diesem "King Arthur" fast vollständig - ebenso wie gefühlvoller Tiefgang. Wie hätte er sich auch vermitteln sollen, wenn nahezu alle zentralen Figuren wie König Arthur (Michael Maertens), Oswald (Dietmar König), Osmond (Ronald Renner) Grimbald (Werner Wölbern) und Philidel (Alexandra Henkel) zu Witzfiguren degradiert waren? Ausnahmen bildeten nur Sylvie Rohrer als echte Gefühle vermittelnde blinde Emmeline, Ulli Maier als deren Dienerin Matilda und Christoph Bantzer als Merlin - solange er zumindest nicht in Verkleidung einer zu spät kommenden, hysterischen Festspielbesucherin erschien.

Klangfarblicher Reichtum

Von ganz anderer Machart wirkte dagegen die musikalische Komponente: Sobald die Musik ertönte, war für all die Nuancierungen, Feinheiten und auch Zärtlichkeiten gesorgt, die der szenischen Seite fehlten. Nikolaus Harnoncourt und sein Concentus Musicus Wien (in einer runden Ausnehmung inmitten des Bühnengeschehens) kosteten die Musik bis in kleinste Details aus und setzten die (vom Maestro mit einigen weiteren Purcell-Stücken angereicherte) Partitur in großer Vielschichtigkeit und klangfarblichem Reichtum um. Auch die ausgezeichneten Gesangssolisten Barbara Bonney, Isabel Rey, Birgit Remmert, Michael Schade und Oliver Widmer folgten dieser Linie des differenzierten Musizierens und ließen beseelte Gesänge erklingen, blieben im Ganzen aber doch etwas auf verlorenem Posten.

Ähnliches gilt für die vorzüglich vorbereitete, homogen tönende Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Gesungen wurde im englischen Original, gesprochen in neuer deutscher Übersetzung von Renate und Wolfgang Wiens; Dirigent und Regisseur gemeinsam haben die Spielfassung erstellt, weshalb man Maestro Harnoncourt - trotz exzellenter musikalischer Umsetzung - nicht ganz von der Kritik an der vergagten szenischen Seite entbinden kann.

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