Quer durch die Fotografie

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Das Leopold Museum zeigt einen Ausschnitt aus der Sammlung "Sputnik“ von Andra Spallart und Fritz Simak, der die Besucher mit den unterschiedlichsten fotografischen Techniken von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur digitalen Gegenwart konfrontiert.

Am 4. Oktober 1957 hob Sputnik von der Erde ab und erreichte als erster von Menschen gebauter Körper den Weltraum. Bereits einen Monat später sendete die zweite Version dieser Satelliten der damaligen Sowjetunion unscharfe Fernsehbilder auf die Erde und eröffnete damit auch den medialen Blick auf die Welt von einem bis dahin unerreichbaren Standpunkt. Das russische Wort "Sputnik“ bedeutet übersetzt Weggefährte oder Begleiter und diente auch als Namensgeber für die Fotografiesammlung von Andra Spallart und Fritz Simak. Das Leopold Museum zeigt als Ausschnitt daraus einen Bilderparcours, der die Besucher zu unterschiedlichen Blickpunkten begleitet und damit als Weggefährte ganz anderer Art quer durch alle fotografischen Techniken - von Naturselbstdrucken aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, über Silber-Gelatine-Abzüge bis zu digitalen Verfahren der letzten Jahre - seine Dienste anbietet.

"… da muss man nur hinschauen“

Seit einiger Zeit schon räumt das Leopold-Museum der Fotografie eine eigene Schiene im Ausstellungsbetrieb ein. Mit Sputnik präsentiert sich der äußerst gelungene Versuch, Bilder als Bilder mit anderen Bildern in einen Dialog eintreten zu lassen, der "Logos“, also das Gesetzmäßige, als Teil dieses Dia-Logs tritt nicht in sprachlicher, sondern in bildlicher Form auf. Sowohl in der Ausstellung als auch - besonders auffällig - im Katalog wird die Legende an den Rand gestellt, damit sie das Bildliche nicht allzu sehr stört. Die Legende in Form näherer Angaben zu den Fotografieschaffenden, der Entstehungszeit und der Technik, aber auch die Legende als sprachliche Geschichte, die üblicherweise zu den bildhaften Arbeiten dazuerzählt wird, kann zwar bei Bedarf nachgelesen werden, soll aber die bildliche Konversation nicht von vornherein bestimmen oder festlegen. Nach Zeiten, in denen die gesamte Welt als Text aufgefasst und damit dem sprachlichen Paradigma unterworfen wurde, eröffnet sich in dieser Ausstellung für die Betrachter ein breites Feld visueller Argumentation, das einen theoriegeleiteten Zugang in die zweite Reihe verweist. "Pfeif drauf, sind einfach wunderbare Photos, da muss man nur hinschauen!“, zitiert Diethard Leopold in seinem Katalogtext den Sammler Fritz Simak, für den, weil selbst auch künstlerisch tätig, dieser Zugang das Selbstverständlichste der Welt ist.

Diese Verschiebung der Prioritäten führt in bestechender Folgerichtigkeit dazu, in dieser Schau das Objekt, den Gegenstand in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. Die Legenden, Geschichten und Theorien mögen sich irgendwann an die Bilder dranhängen, zunächst steht den Betrachtern ein Objekt gegenüber oder entgegen, das einfach ist, was es ist. Für unsere Zeit lässt sich ein doppelter Befund im Umgang mit Dingen feststellen. Ein Grundzug besteht darin, ihnen durch Erklärung ihre Eigenständigkeit zu nehmen, indem sie in eine wissenschaftliche Objektivität überführt werden; der andere Grundzug, für den sich die Kunst und besonders stark die Fotografie verantwortlich zeigt, gibt den Dingen wieder ihr Eigenleben zurück, jenen Aspekt an ihnen, den unser Deuten und Begründen nicht einholen kann. Gerade weil die Dinge jenseits unserer Zuordnung von Bedeutung noch ein unzugängliches Eigenleben führen, das all unser Erklären immer wieder in die Schranken weist und damit gleichzeitig auch herausfordert, führen sie uns an Fremdes heran und gewinnen damit auch eine ethische Komponente. Dieser Umstand wird in der Ausstellung noch dadurch verstärkt, dass den Betrachtern neben den Objekten auch noch der jeweilige Standpunkt der Fotografieschaffenden gegenübersteht.

Schwere Kost, mit Leichtigkeit erschlossen

Diese eigentlich schwere Kost erschließt sich in der Präsentation mit großer Leichtigkeit. Die nach formalen Aspekten zusammengestellten Reihungen von Bildern geben jeweils einen Blick auf die Welt frei, der das Eigenleben der Objekte ernst nimmt. Die Qualität der einzelnen Arbeiten gewährleistet eine vielfach unverbrauchte Sicht auf die Welt, ganz gleich, ob ihre Schöpfer berühmte Namen tragen oder die Arbeiten als anonyme Blätter gar keiner konkreten Person zugeordnet werden können.

Die berühmten Namen sind aber auch mit hervorragenden Beispielen vertreten - es zählt eben nicht der Name, sondern die bildnerische Arbeit. Darüber hinaus sieht man aber auch, dass Berühmtheit erst einmal durch ein überzeugendes Werk zu verdienen ist, und man kann genüsslich darüber mutmaßen, warum so mancher illustre Name nicht in der Schau vertreten ist. Wenn Fotografie das bloße Abbild hinter sich lässt, schwingt sie sich dazu auf, eine ganze Welt herauszubilden, in die Sichtbarkeit zu bringen, und es wird klar, dass es schon eine Kunst ist, einen Schnappschuss zu einem Kunstwerk werden zu lassen.

Magie des Objekts. Photographie aus drei Jahrhunderten

Leopold Museum-Privatstiftung

bis 3. 10., tägl. außer Di 10-18, Do bis 21 Uhr

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