Quote oder Leidenschaft

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Zweimal fuhren wir mit dem Vaporetto am Palazzo Grassi vorbei. Es war zwei Tage nach Weihnachten, und die Warteschlange reichte bis zur Anlegestation San Samuele. Im venezianischen Event-Museum am Canal Grande wurde Salvador Dalí ausgestellt. Die Schlange war uns zu lang, wir sahen die Ausstellung nicht. Vor einigen Jahren gab es dort die Phönizier-Ausstellung, damals harrten wir aus. Drinnen konnte man vor jeder Vitrine nur Sekunden verweilen, die Masse der Besucher schob einen weiter. Ein Event - fürs Museum, nicht für uns.

In Wien haben zuerst das Kunstforum, dann die Albertina (unter dem nämlichen Direktor) Kunstsammlungen Ereignisse eingepflanzt. Das Kunsthistorische zog nach, das mak gefällt sich mit Otto Mühl, das Rupertinum in Salzburg provoziert mit mäßigem Geschmack, dagegen sind Rubens' nackte Frauen klassisch, darum in Wien in drei Museen zugleich.

Auffallen ist unerlässlich, wenn wirtschaftliche Führung verlangt wird und Besucherquote die Subvention bestimmt. Jetzt will die Politik noch mehr mitreden - rationalisieren ist alles. In dieser Situation verleiht der Albertina-Direktor Dürers Hasen nach Madrid, obwohl das Denkmalamt es verboten hat. Auch das ein Event: Der mutige Gesetzesbrecher steht in der Zeitung, wie vordem sein Kollege, dem die goldene Saliera gestohlen wurde.

Museen existieren im permanenten Selbstwiderspruch. Sie sind aus der Leidenschaft von Kunstsammlern entstanden, die sich auf die Beschauer, so viele es auch sein mögen, kaum übertragen lässt. Wohl aber sind die Direktoren davon infiziert. Vielleicht zum Glück. Sie benehmen sich wie Eigentümer all der Schätze, die sie verwalten. Man muss ihnen auf die Finger schauen, gewiss. Aber sie retten etwas von der alten Leidenschaft herüber, der wir die Museen verdanken, und die kein Besucherrekord ersetzen kann.

Der Autor ist freier Publizist.

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