Rätselhafte Absetzung in der Slowakei

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Die plötzliche Abberufung des Erzbischofs von Trnava, Róbert Bezák, schlägt in der Slowakei auch einen Monat danach hohe Wellen.

Während das "große Rom“ damit befasst ist, die Lecks in seinen medialen Mauern zu kitten, ist man im "kleinen Rom“, wie Trnava von den Slowaken gern genannt wird, bestrebt, erst gar keine entstehen zu lassen. Über die Gründe, warum Papst Benedikt XVI. den von ihm erst vor drei Jahren zum Erzbischof gekürten Róbert Bezák am 2. Juli 2012 abgesetzt hat, tappen die Öffentlichkeit und nach eigener Aussage auch der Betroffene nach wie vor im Dunkeln.

Es gibt zumindest eine Persönlichkeit, die mit beiden Causen befasst war: Der 88-jährige slowakische Kurienkardinal Jozef Tomko war Mitglied der dreiköpfigen Kardinalskommission, die Benedikt XVI. zur Klärung der VatiLeaks-Affäre eingesetzt hat und die dem Papst dieser Tage ihren abschließenden Bericht vorgelegt hat. Tomko hat aber auch den damals 49-jährigen Róbert Bezák zum Bischof geweiht und war an dessen Ernennung wohl nicht unbeteiligt. Hat er den Hoffnungsträger jetzt fallen gelassen? Und wenn ja, warum?

Schon der Beginn der Affäre Bezák war höchst merkwürdig, denn auf die unmittelbar bevorstehende Abberufung wies kein sensationslüsterner liberaler Journalist hin, sondern der Mitbegründer der "Konservativen Demokraten der Slowakei“ und ehemalige Parlamentspräsident, Frantiˇsek Mikloˇsko. Gewisse Kreise im Vatikan wollten dem Papst vor Antritt seines Sommerurlaubs diese Personalentscheidung unterschieben, ohne ihm die Chance einer eingehenden Befassung mit den Gründen und möglichen negativen Folgen zu geben, so der einstige Bannerträger der Untergrundkirche am Mittwoch, dem 27. Juni.

Hoffnungsträger fallen gelassen

Umgehend ließ sich der Sprecher der Slowakischen Bischofskonferenz, Jozef Kováˇcik, vernehmen, Mikloˇsko solle sich lieber seiner "politischen Pension“ als solchen Spekulationen widmen, doch schon kurz danach erwiesen sich dessen Informationen als richtig: Erzbischof Bezák, der ursprünglich zum Rücktritt gedrängt werden sollte, diesen aber in Ermangelung mitgeteilter Gründe verweigerte, gab beim Sonntagsgottesdienst am 1. Juli den verdutzten Gläubigen bekannt, er werde tags darauf abgesetzt werden.

In den Augen der Bischofskonferenz stellte dieses Vorpreschen den "Bruch eines Papstgeheimnisses“ dar, doch es stimmte: Am Montag war die Absetzung im Osservatore Romano zu lesen und damit rechtskräftig. Am Dienstag übersiedelte der Papst nach Castelgandolfo …

Die verblüffendste Überraschung folgte freilich am 4. Juli. Da brachte die Untersuchungsrichterin, die mit der Aufklärung von Unregelmäßigkeiten in der Erzdiözese Trnava unter Róbert Bezáks Vorgänger Ján Sokol befasst war, gegen letzeren bei der Generalprokuratur eine Strafanzeige ein. Was sofort nach Bekanntwerden der Absetzung des Nachfolgers vermutet worden war, verdichtete sich zur hauptsächlich vermuteten Ursache der päpstlichen Entscheidung. Denn bald nach seinem Amtsantritt hatte Róbert Bezák die Aufarbeitung der undurchsichtigen Geschäfte seines Vorgängers auf seine Fahnen geheftet und gegen Ján Sokol sogar in einem Prozess ausgesagt.

Ein inquisitorischer Fragenkatalog des Präfekten der römischen Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, an den unter Beschuss gekommenen Erzbischof vom Mai dieses Jahres las sich dann für die Öffentlichkeit eher als Versuch, Róbert Bezák am Zeug zu flicken, ohne die eigentlichen Gründe seiner Entfernung zu nennen. Dieser Mann stach nicht nur in seinem Outfit - man konnte ihn in Jeans durch seine Bischofsstadt radeln sehen - zu stark von seinen Kollegen ab.

Außergewöhnliche Persönlichkeit

Während die Bischöfe kurz vor seinem Amtsantritt eine Neuordnung der Diözesangrenzen abgesegnet hatten, die das Siedlungsgebiet der slowakischen Ungarn noch weiter zerstückelte, konnte sich Bezák gut einen ungarischen Bischof in der Slowakei vorstellen, und während die Bischofskonferenz anlässlich des 70. Jahrestags der ersten Deportation slowakischer Juden eine wortreiche Erklärung verabschiedete, die eher einer Reinwaschung der katholischen Kirche von ihrer Mitschuld an den Verbrechen des Slowakischen Staates von 1939 bis 1940 glich, setzte sich Bezák mit Ministerpräsidentin Iveta Radicova in den Gedenkzug von Poprad nach Auschwitz und meinte, der damalige slowakische Präsident, Prälat Jozef Tiso, hätte gut daran getan, spätestens bei den ersten Deportationen zurückzutreten.

Róbert Bezák, der sich am 19. Juli in einem Gottesdienst in Trnava von seinen Mitarbeitern verabschiedete, hat auch die "Lange Nacht der Kirchen“ in die Slowakei gebracht. Bricht jetzt eine lange Nacht für die so mächtig scheinende katholische Kirche an?

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