Raffiniert und tüchtig

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Eine Schau in der ÖNB über Frauen im alten Ägypten.

Für keine alte Kultur der Welt lassen sich die Lebensumstände der Menschen detailreicher rekonstruieren als für Ägypten. Dies gilt nicht nur für die pharaonische Zeit, sondern auch für die griechische, römische und byzantinische. Die Wüste hat überreiches papyrologisches Material bewahrt, und dank der Sammelleidenschaft Erzherzog Rainers (1827-1913) kann die Österreichische Nationalbibliothek aus ihren 180.000 Objekten jedes Jahr neue Themen aufgreifen. Diesmal geht es in einer feinen kleinen Ausstellung um "Emanzipation am Nil".

"Mit allem Großmut erweist Deine Erhabenheit Wohltaten denen, die Unrecht erleiden, am meisten den Frauen wegen der Schwäche ihrer Natur, während die (Steuereintreiber) mich angreifen. Und da ich eine Frau bin, suche ich Zuflucht bei Deinen, meines Herren, Füßen." Mit dieser Petition wandte sich eine Frau 330 n. Chr. an den Stadtpräfekten von Hermupolis. Sie wollte nicht so hohe Steuern zahlen, wie ihr vorgeschrieben wurde. "Infirmitas sexus", die Schwäche der weiblichen Natur, wussten kluge Ägypterinnen durchaus zu ihren Gunsten ins Treffen zu führen. Sie nutzten auch den Rechtspluralismus aus: Die Ptolemäer (Griechen) hatten es verabsäumt, ein einheitliches Rechtssystem zu schaffen. "Einheimisches ägyptisches Recht, hellenistisch-griechisches und jüdisches Recht durften frei nebeneinander bestehen. Die Römer führten dazu noch das römische Recht ein, ohne die schon existierenden Rechtstraditionen auszuschalten", verrät der Katalog.

Die Ausstellung dokumentiert, dass Frauen der Oberschicht durchaus eigenes Vermögen besaßen und selbst verwalteten, Pachtverträge abschlossen, eigenhändig unterfertigten und Unterhaltszahlungen von entlaufenen Ehemännern einforderten. Frauen spielten eine wichtige Rolle im religiösen Leben als Priesterinnen und traten als Tänzerinnen oder Musikerinnen auf. Die römischen Volkszählungen (siehe Neues Testament) in Ägypten weisen Frauen als Haushaltsvorstände aus. Mit einem Wort: Eine kleine Schicht der weiblichen Bevölkerung im Ägypten vor 1500 Jahren verdient die Bezeichnung "emanzipiert".

Nachlässiger Gynäkologe

60 Prozent der Frauen waren im Alter von 13 bis 20 Jahren bereits verheiratet, mit viel älteren Männern; mit 35 standen sie oft schon als Witwen allein da. Zahlreiche Papyri berichten von Scheidungen, die häufig zum Nachteil der Ehefrauen praktiziert wurden. Um reichen Kindersegen wandten sich die Frauen an die Götter, Verhütung praktizierten sie ohne diese. In einem Brief beschwert sich eine Dame, dass ihr Gynäkologe sich nicht genügend um sie kümmere ...

Zum Abschluss bietet die Schau Beispiele des begehrlichen Blicks von europäischen Männern des 19. Jahrhunderts auf die verschleierten Schönen des Orients: Gemälde von Männern für Männer, laszive Wunschträume. Der erotischen Spielwiese männlicher Phantasien stellte der berühmteste Orientmaler der Donaumonarchie, Leopold C. Müller, der sich neun Mal in Ägypten aufhielt, seine ethnografisch getreuen und doch geheimnisvollen Frauenbilder entgegen.

Emanzipation am Nil. Frauenleben und Frauenrecht in den Papyri

Papyrusmuseum der ÖNB, Mo, Mi bis Fr 9 bis 16 Uhr, ab Oktober bis 17 Uhr

bis 18. November

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