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Jehoschua Kenaz' "Landschaft mit drei Bäumen" ist ein pessimistischesund daher erschütternd realistisches Buch über Israel.

Glück ist keine Kategorie, die für die Figuren des israelischen Autors Jehoschua Kenaz lebensbestimmend ist. Sie wären schon gerne glücklich, doch die Umstände, die sind nicht danach. Die Frage des Glücks wird nicht thematisiert und ist doch immer präsent wie so vieles in den Texten von Kenaz, der die Aussparung zur Methode gemacht hat. In das dadurch erzeugte Vakuum wird der Leser mit seinen Fragen und Vorstellungen förmlich hineingezogen.

Zwischenexistenzen

Die Menschen, die Kenaz erschreibt, sind Zwischenexistenzen, die das Land und die beiden Novellen "Stromkastenbrände" und "Landschaft mit drei Bäumen" bevölkern: Vor und nach Kriegen geboren. Menschen, die keine Zeit hatten und haben ihr Leben zu entfalten.

Die erste Geschichte spielt während des ersten Irak-Krieges und der Raketenangriffe auf israelische Städte, die zweite Geschichte unmittelbar vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als die Engländer das Land noch besetzt hatten. Dazwischen wäre Zeit zu leben gewesen, für ein richtiges pralles Leben. Dass Kenaz diese beiden Novellen in einem Band vereint, dass das Gefühl der nicht eingelösten Hoffnungen entsteht, lässt diesen Band zu einem pessimistischen und vielleicht daher auch zu einer realistischen Zustandsbeschreibung Israels werden.

Es ist kein Zufall, dass am Ende der zweiten Novelle der Satz steht: "Du mit deinem persönlichen Leben", den der von der deutschen Kriegsgefangenschaft Zurückgekehrte als letzten Satz zu seiner Frau sagt, die in der Zwischenzeit ein Kind mit einem anderen hat. Kann es ein anderes Leben als ein persönliches geben? Nach bereits wenigen Seiten stellt sich beim Leser ein Gefühl der Traurigkeit ein und das liegt nicht an der Landschaft ("An Wintertagen senkte sich des öfteren eine flächendeckende Wolke über das kleine Viertel auf der Kuppe des Bergs, und feiner Nieselregen fiel ohne Unterlass").

Traurigkeit

Dass die Beschreibung von Becky und Harry im Haifa des Jahres 1945, die Besuch von einem englischen Soldaten bekommen, der ihnen die Kopie des Bildes von Rembrandt "Landschaft mit den drei Bäumen" zeigt, erst kurz vor dem Ende ihren Platz findet, charakterisiert die Technik des Erzählens von Kenaz. "Die beiden waren um die dreißig. Becky war von kleiner Statur, flink, energisch und direkt, ihr Haar war hinter die Ohren gekämmt, der Blick ihrer großen braunen Augen kühn und entschlossen. [...] Harry sah weitaus jünger aus, als er war, ein richtiger Knabe. Groß, mit verhaltenen Bewegungen und misstrauisch ironischem Blick." So könnte die Geschichte beginnen, doch Kenaz lässt den Leser lange ohne diese Beschreibungen. Persönlichkeit ist eben keine Selbstverständlichkeit.

Das Bemühen des englischen Soldaten, der sein ganzes Leben, seine ganze Energie in die Kopie dieses Stiches von Rembrandt steckt, ist die Ahnung eines glücklichen Lebens ("Die Einzelheiten sind wie unser Leben") und gleichzeitig auch ein Spiegel des Fremdseins, denn in diesem Bild mit den drei Bäumen, das auch den Umschlag des Buches ziert - schade ist nur, dass keine Abbildung im Band zu finden ist - gibt es keine Beziehungen zwischen all diesen Menschen. "Sie waren einander fern, jeder an seinem Platz, mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt."

Der Gemeinschaftssinn ist am Ende im Israel der neunziger Jahre, heruntergekommen ist das Miethaus mit seinen Bewohnern, der Hausvertrauensmann wirkt wie ein Relikt aus einer anderen Welt und dass der Brand im Stromkasten der Racheakt des arabischen Hilfslöhners ist, der die Stiegen wäscht, wird zu einer fixen Idee. Die Aufdeckung dieses Terroraktes wird fast zu einer Lebensberechtigung. "Wo man auch hinschaut, man sieht nur Leute, die sich gegenseitig fressen wollen."

Ramponiert

Die Katze, die am Ende des Buches aus dem Haus verstoßen wird, und sich ins Gestrüpp schleppt, ist ramponiert vom Kampf mit den Gefährten der Straße - ein Bild für das Israel der Hoffnungen der Gründerväter. "Sie kroch mühevoll hinein und lag dann dort auf der rauhen, kalten Erde, die eines Tages, zu Anbeginn der Zeit ein warmes und weiches Lager gewesen war, durchtränkt von den Überbleibseln eines wunderbaren Geruchs, jenes uralten, vergessenen Geruchs, der so unvergleichlich war und den er in seinem ganzen Leben niemals wieder hatte erfahren sollen."

Die Bewohner sind wie die Katze einsam, leben nebeneinander her und dass die Alte Sofie Jakov am Rauch in ihrer Wohnung erstickt, ist ein Zeichen für diese Lieblosigkeit.

Urteile und Vorurteile

Arabische Israeli und Palästinenser haben keinen fixen Platz in der Gesellschaft, aber immer öfter finden sie Eingang in Geschichten von israelischen Autoren, sozusagen über die Hintertreppe und die abgetretenen Stiegen waschend. Hart sind die Urteile und Vorurteile und gut ist es zumindest, dass sie ausgesprochen werden. Ein pessimistisches Buch, das die Sehnsucht nach Frieden nährt.

Landschaft mit drei Bäumen

Zwei israelische Novellen von Jehoschua Kenaz

Aus d. Hebr. von Barbara Linner

Luchterhand Verlag, München 2003 318 Seiten, geb., e 22,70

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