Rasende Liebe und britischer Humor

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Mit Alessandro De Marchi beginnt ab 2010 eine neue Ära bei den Innsbrucker Festwochen. Die diesjährigen Festwochen startete De Marchi mit Haydns kleiner Oper „L’isola disabitata“, am 29. August steht René Jacobs am Dirigentenpult und präsentiert Haydns Oper „Orlando Paladino“.

Es sind die letzten Festwochen, die René Jacobs verantwortet, und auch Geschäftsführerin Sarah Wilson verlässt das Festival. Sie gab ihren Entschluss nach der Veröffentlichung des Rechnungshofberichtes zu den Innsbrucker Festwochen bekannt. Jacobs, dessen künstlerische Autorität in Innsbruck zu keinem Zeitpunkt angezweifelt wurde, zu dieser Causa: „Ich habe erst spät davon erfahren und kenne keine Details. Und das alles ist jetzt vorbei. Diese Ereignisse hatten nicht direkt zu tun mit meiner Entscheidung, die künstlerische Leitung in Innsbruck zurückzulegen.“

Fulminante Opernkarriere

René Jacobs ist vor 36 Jahren als junger Countertenor nach Innsbruck gekommen, um an der Sommerakademie für Alte Musik zu unterrichten, und gestaltete erfolgreiche Konzerte. Daraus erwuchs seine fulminante internationale Opernkarriere. 1992 übernahm Jacobs die Verantwortung für die Opernproduktionen des Innsbrucker Festivals und 1995 die künstlerische Leitung. Jetzt fand er die Zeit reif für einen Chefwechsel: „Wenn in einem Buch ein Kapitel zu lang ist, muss ein neues kommen.“

Jacobs sagt sich nicht gänzlich los von „seinem“ Festival: „Für ein gutes Projekt komme ich gern wieder.“ Bis dahin ist er, wie so oft, in Berlin, Amsterdam, Aix-en-Provence, Salzburg (Mozartwoche) und natürlich einmal im Jahr im Theater an der Wien anzutreffen. Am 15. Oktober 2009 hat dort unter seiner Leitung Rossinis „Tancredi“ Premiere.

Glückloser Anfang

Mit Alessandro De Marchi, mit dem er seit Langem zusammenarbeitet und der bereits die Innsbrucker Festwochen 2010 programmiert, hat Jacobs selbst einen Nachfolger vorgeschlagen. De Marchi startete die diesjährige Festwochen mit Joseph Haydns kleiner und weniger bekannten Oper „L’isola disabitata“, leider glücklos. Zum Finale ist nun René Jacobs selbst am Dirigentenpult und präsentiert bis 29. August im Tiroler Landestheater mit dem szenischen Team Nigel Lowery (Inszenierung, Bühnenbild sowie Kostüme), Amir Hosseinpour (Inszenierung und Choreografie) und Olaf Freese (Licht) die mit der Berliner Staatsoper koproduzierte Oper „Orlando Paladino“ von Joseph Haydn.

Da wurde Jacobs Verteidigung des Haydnschen Musiktheaters rasch klar. Mit dem wendigen, im Klang ungemein differenzierten Freiburger Barockorchester kommt er mit seinen nuancierten Tempi, klaren Affekten und der Klangpracht von der barocken Seite, taucht tief ins Gemüt, verbindet die einzelnen Nummern, damit nichts stockt, und entleiht für die Zauberin Alcina, weil sie bei Haydn ein bisschen zu kurz kommt und in Gestalt Alexandrina Pendatchanskas so fabelhaft singt, am Schluss noch eine Arie aus „Die Welt aus dem Monde“. Die Continuo-Gruppe ist grandios, man muss gehört haben, wie phantasie- und humorvoll Sebastian Wienand am Hammerflügel Arien ein- und ausbegleitet, zitiert, improvisiert. Haydns Musik blüht auf.

Beachtliche Gesangsleistungen

Tom Randle setzt sich als Orlando nicht ganz durch, Sine Bundgaard feuert ihre koloraturgespickten Arien sehr beachtlich ab, mit sanftem Ton folgt ihr Medoro, der Geliebte, in Gestalt von Magnus Staveland. Pietro Spagnoli muss sich als Sarazene Rodomonte raubeinig geben, der schwebende Sopran von Sunhae Im glitzert nur so für die Eurilla. Zweiter Teil des komischen Pärchens ist der auch stimmlich bewegliche Victor Torres als Pasquale. Arttu Katajas Bass ist für den Licone und den Caronte zuständig.

Quirliges Konzept

Szenisch hält man nicht so leicht durch. Die Geschichte von Orlando, der vor Liebe rasend Angelica verfolgt und nur durch die Zauberin Alcina gestoppt und wieder zur Vernunft gebracht werden kann (wobei sie Charons Lethe, das Wasser des Vergessens, bemühen muss), beginnt in einem fröhlichen Wald mit hölzernem Schloss, albert sich zitatenreich durch den Märchenwald, wird aber zunehmend mühsam. Lowery macht das Konfuse der Personage zum quirligen Konzept, Rodomonte ist nicht weniger irr als Pirat mit Krücke. Orlando taucht als Gestrandeter mit nacktem Oberkörper auf und endet als Polizist. Durchs Gehölz und den englischen Humor streifen als Phantasmen eine Stewardess, ein Torero, ein Koch, ein Bischof und eine Leichenbraut wie aus der Werkstatt von Tim Burton.

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