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Julia Onken, Schweizer Psychotherapeutin, Autorin und Gründerin des Frauenseminars Bodensee*), über die besonderen Beziehungs-Ansprüche von Frauen.

Die Furche: Was ist für Sie Liebe?

Julia Onken: Liebe ist für mich, wenn wir in der Lage sind, den anderen immer als ein eigenes Wesen zu respektieren, das eine eigene Lebenserfüllung anstrebt.

Die Furche: Haben Frauen höhere Ansprüche an Beziehungen?

Onken: Sie haben andere und sehr berechtigte Ansprüche: Durch die Veränderung in unserer Gesellschaft wollen Frauen auch ihre Rechte einfordern. Es ist für sie immer mit einer ungeheuren Kränkung verbunden, wenn sie ihre Fähigkeiten nicht anwenden können, nur weil sie weiblichen Geschlechts sind. Der Partner wird dann oft zum Stellvertreter des patriarchalen Systems, auch wenn er selbst vielleicht gar nicht so denkt. Da brechen die Frauen aus und sagen: Nein danke, mit mir nicht.

Die Furche: Warum fällt es den Männern so schwer, auf die veränderten Ansprüche der Frauen zu reagieren?

Onken: Weil es ein langer Prozess des Umdenkens und sich Umgewöhnens ist: Männer müssen ein bestimmtes Vorrecht aufgeben - etwa das Vorrecht, zu Hause die gesamte Infrastruktur geliefert zu bekommen, ohne sich daran zu beteiligen. Dass man diese Komfortzone nicht so einfach preis gibt, ist einleuchtend. Dazu kommt, dass Frauen ihre Wünsche manchmal auch nicht klar formulieren können. Sie stellen einfach eine Unzufriedenheit fest.

Die Furche: Sind selbstbewusste Frauen also ein Beziehungsrisiko?

Onken: Absolut, weil das mangelnde Selbstbewusstsein der Frau oft ein überdimensioniertes Selbstbewusstsein des Mannes spiegelt. Es fällt niemandem auf, wenn ein älterer glatzköpfiger Herr mit dickem Bauch eine schöne Frau zu beurteilen beginnt, ob sie auch wirklich schön ist. Deshalb ist das Bewussterwerden der Frauen immer auch mit einem Risiko verbunden: Ich habe das hier im Frauenseminar am Bodensee oft erlebt, wo sich erfolgreiche Frauen überlegt haben, ob sie ein neues Berufsangebot annehmen sollen - obwohl dann ihre Beziehung in die Brüche gehen würde. Viele entscheiden sich dann doch für die Familie.

Die Furche: Manchmal auch nicht, und das setzt Männer unter Druck...

Onken: Natürlich. Weshalb gehen sie denn nach Thailand, um sich dort eine Zwölfjährige drei Wochen lang zu "mieten"? Das sind nicht die alten, hässlichen Männer, die hier keine Frau finden, sondern es sind Familienväter, die sich das gönnen. Erst kürzlich habe ich ein Interview gelesen, wo ein solcher Mann gesagt hat: "Diese Zwölfjährige betet mich an." Das tut ihm so gut, dass er das immer wieder braucht. Was ist mit diesem Mann, dass er so ein falsches Selbstbewusstsein aufbaut? Er könnte auch gewinnen, wenn er gesund schrumpfen würde. Ich erlebe das auch oft in unseren Frauenseminaren: Wenn Frauen einen mehrjährigen Ausbildungsgang beginnen, sind die Männer anfangs oft sehr verunsichert, weil sie das Gefühl haben, die Beziehung gerät aus den Fugen. Andererseits kommt es vor, dass sie am Ende sagen: Es war eine harte Zeit, aber jetzt habe ich eine wirklich interessante Partnerin.

Die Furche: Sie haben sich in Ihrem Buch "Die Kirschen in Nachbars Garten" (Verlag Bertelsmann) mit den Gründen fürs Fremdgehen beschäftigt. Haben Frauen und Männer hier unterschiedliche Motive?

Onken: Wir haben festgestellt, dass bei Frauen das Fremdgehen eher an eine Beziehung gekoppelt ist. Sie fühlen sich von einem Mann besser verstanden, verlieben sich - und gehen fremd. Nur 15 Prozent der Frauen, die untreu werden, gehen aus einem sexuellen Bedürfnis heraus fremd. Der Rest ist emotional gebunden. Bei den Männern verhält es sich umgekehrt: Nur etwa 25 Prozent gehen eine Beziehung ein, der Großteil befriedigt vor allem sexuelle Bedürfnisse.

Die Furche: Was sind also die Bedingungen fürs "Daheimbleiben"?

Onken: Ich mache einen großen Unterschied zwischen den rein hormonell und den emotional bedingten Seitensprüngen. Wenn der Mann einmal fremdgeht, ist das verletzend, aber meistens kein Grund, sich zu trennen. Doch wer dem Partner oder der Partnerin kein Interesse mehr entgegenbringt, verletzt sein Grundbedürfnis: Wir wollen wertgeschätzt werden. Wenn das nicht geschieht, muss der andere damit rechnen, dass man sich diese Wertschätzung anderswo holt.

Die Gespräche führte Doris Helmberger.

*) Das Frauenseminar Bodensee wurde 1988 gegründet und hat das Ziel, Frauen persönlich oder beruflich zu schulen und zu fördern. Infos: www.julia-onken.ch

BUCHTIPPS:

WENN DU MICH WIRKLICH LIEBST

Die häufigsten Beziehungsfallen und wie wir sie vermeiden

Von Julia Onken. Verlag C.H. Beck, München 2001. brosch., 169 Seiten, e 10,20

GLÜCKLICH TROTZ MANN

Von Cheryl Benard und Edit Schlaffer.

Krüger Verlag, Frankfurt 2004. 256

Seiten, geb., e 18,40

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