Raus aus den Kletterhallen, rauf die steilsten Felswände

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Cerro Terro, die Granitnadel in Patagonien, heißt aus dem Spanischen übersetzt „Turm-Berg“; noch treffender wird die gut 3000 Meter hohe Felsspitze aber als „Schrei aus Stein“ beschrieben: so schrill, so stürmend, so nur eine Richtung kennend ragt sie an der argentinisch-chilenischen Grenze in den Himmel. Der Berg galt lange als unbesteigbar, wer und wann als erster den Gipfel erreicht hat, ist unsicher – Legende und Wirklichkeit verschwimmen an den glatten, mit Eiswächten behangenen Felswänden. Ein Kompressor hängt knapp unter dem Gipfel in der Wand – vom verbitterten, angeblichen Erstbegeher Cesare Maestri zurückgelassen, der sich damit den Felsen hochgenagelt hat.

David Lama will diese sogenannte „Kompressorroute“ jetzt ohne künstliche Kletterhilfen zum ersten Mal im Freikletterstil durchsteigen. Mitte November ist der Innsbrucker mit seinem Freund Daniel Steuerer nach Patagonien aufgebrochen. Vom 4. Jänner datiert der letzte Eintrag auf seiner Webseite www.david-lama.com – leider stehen darin keine guten Nachrichten: immer noch schlechtes Wetter, meterhoher Schnee, fürchterliche Stürme … Reinhold Messner hat den 19-jährigen Lama bei einem moderierten Gespräch im Red Bulletin vorgewarnt: „Das Wetter in Patagonien ist schlecht, oft stürmt und schneit es. Vielleicht gelingt es dir nicht beim ersten Mal, David. Vielleicht musst du dreimal hin, bis es gelingt.“

Messner: „Sie erfinden gerade das Klettern neu!“

Dass David Lama und Kollege überhaupt den Cerro Torre zum Ziel gemacht haben, markiert jedoch schon einen bedeutenden Wendepunkt, der einmal im Rückblick als weiterer Meilenstein im Alpinismus eingestuft werden wird. Messner jedenfalls preist Lama und andere Kletterer seiner Generation in höchsten Tönen: „Sie erfinden gerade das Klettern neu.“

David Lama steht für den Auszug der wettkampfgeschulten alpinen Jugend raus aus den Kletterhallen, rein in die steilsten und schwierigsten und höchsten und unsichersten Wände der Welt. Mit zehn Jahren ist Lama seinen ersten Xer geklettert, mittlerweile ist er der jüngste Doppeleuropameister des Klettersports. Die Matura hat er geschmissen, seine Reifeprüfung wird in Höhenmetern und Schwierigkeitsgraden gemessen. Dass er, wenn nötig, auch ein zweites oder drittes Mal zum Cerro Torre zurückkehren kann, dafür wird sein Sponsor „Red Bull“, der ihn auch jetzt mit einem Filmteam begleitet, sorgen. Professionalität beschränkt sich eben nicht nur auf das Kletterkönnen, sondern was man daraus auch am Markt für Sensationen macht – siehe Reinhold Messner.

Denn Konkurrenz gibt es für David Lama genug – und sie ist stark, sehr stark sogar, im In- und Ausland. In wenigen Wochen feiert ein gewisser Adam Ondra im tschechischen Brno seinen 17. Geburtstag. Ausschauen tut der junge Tscheche wie Harry Potter und klettern kann er jetzt schon wie die besten Felszauberer vor ihm. Ondra ist ein heißer Tipp für den ersten glatten XIIer, heißt es. Und dann? Dann kommt bei den Besten der Besten, so David Lama, „die Neuerfindung, das Sich-Einlassen auf das Ungewisse“.

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