Recht auf Geistiges Eigentum

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Internet-Angebote wie „Google Books“ und „Google Street View“ oder die Plagiatsdebatte um Helene Hegemann haben die Sensibilität für Urheberrechtsfragen geschärft. Und das ist gut so.

Vielleicht ist es ein wenig dick aufgetragen, vom „geistigen Eigentum“ zu reden, dem Sachverhalt, wem die Rechte an einem Text oder sonst einem selbstgeschaffenen Werk gehören, aber den Tatsachen entspricht es allemal: Sie gehören dem, der den Text oder das Werk erarbeitet hat. Ein Text oder Werk kann vervielfältigt, verbreitet, verliehen, kopiert, übertragen, ausgestellt, aufgeführt oder übersetzt werden und vieles andere mehr, vorausgesetzt, derjenige, der den Text oder das Werk auf die eine oder andere Weise verwendet, hat dazu die Rechte erworben. Ein Text oder Werk kann verschenkt oder für seine Verwendung muss etwas bezahlt werden, sogar auf die Nennung des Namens, die Urheberbezeichnung, kann der Autor oder sonstige Urheber verzichten, nur aberkannt werden kann einem das Recht auf die Nennung des Autorennamens genauso wenig, wie man nicht zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Verbreitung seines Werkes gezwungen werden kann.

Dass das einer Internetöffentlichkeit unsympathisch ist, die alles kostenlos und sofort haben möchte, ist nicht ganz unverständlich, wenn Medien aller Art ständig Bezugsmöglichkeiten zum Nulltarif suggerieren, von der Gratiszeitung bis zum werbefinanzierten Fernsehen, von den Zeitungs-Online-Ausgaben bis zu den kostenlosen Internetdiensten. Dass diese kostenlosen Bezugsmöglichkeiten in den Preisen der Produkte, die man erwirbt, mitenthalten sind und man verkaufbare Nutzerdaten ohne finanzielle Gegenleistung hergibt, fällt niemandem auf. Was hingegen auffällt, ist die vermeintliche Restriktion des Rechts auf freien Zugang zum Wissen und der kostenlosen Verfügungsgewalt über jede Information.

Open Access, Open Source und Copyleft

Wer schon bisher nicht nur mit den alten Medien zu tun hatte, ist mit Begriffen wie „Open Access“ (freier Zugang zu wissenschaftlichen Arbeiten und Materialien), „Open Source“ (freier Bezug von Software) und „Copyleft“ (Zur-Verfügung-Stellen von urheberrechtlich geschützten Werken zum freien Bezug) längst vertraut und vor allem, früher oder später, auf den multifunktionalen Allesspeicherer und Wiederaufbereiter Google gestoßen, der lange Zeit ausschließlich für eine neue technische Form zur Zusammenführung und Bereitstellung des Wissens gehalten wurde. Seit bekannt ist, dass „Google Books“ Millionen Bücher zur Veröffentlichung elektronisch gespeichert hat, ohne dass jemand zuvor um sein Einverständnis gefragt wurde, oder dass „Google Street View“ die Privatsphäre nur dann respektiert, wenn man die Bilder von sich oder seiner unmittelbaren persönlichen Wohnumgebung wieder aus diesem Internetdienst von Google herausreklamiert, hat sich die positive Einstellung zur kostenlosen Nutzung von umfassend bereitgestellten, für jeden zugänglichen Informationen wieder ein wenig geändert.

Mit dem Konflikt rund um die Ausdehnung der Angebote von Google auf die Weiterverwertung der gedruckten Literatur und dem Heraustreten der Netzkultur in die Welt der Bücher haben die Diskussionen um Rechte im Netz die nicht-digitalen Medien erreicht. Durch Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“, das jenseits eines Bekenntnisbuchs von Jungmädchenträumen, der um sie herum veranstalteten Authentizitätsshow und der schweißtreibenden Effekte bei Overaged-Angehörigen aller Generationen vielleicht auch etwas mit Literatur zu tun hat, sind einige bisher nur in der Netzöffentlichkeit geläufig gewesene Begriffe wie „Urheberrechtsexzess“, „Intertextualität“ oder „Transformation“ unter die Leser der Feuilletons von Tages- und Wochenzeitungen gekommen. Mit „Intertextualität“ und „Transformation“ sind aber nicht Bezugnahmen auf andere Texte und andere Autoren in Zitatform angesprochen, sondern die nicht kenntlich gemachte Aufnahme des anderen Textes im eigenen beziehungsweise das Plagiat, einen von jemand anderem stammenden Text oder entsprechende Textpassagen als seinen eigenen Text auszugeben. Die in der Printkultur geforderte Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und Verkehrsformen wie Quellenangaben u. ä. fällt dabei unter den Begriff „Urheberrechtsexzess“.

„Recht auf Kopieren und Einfügen“

Nun ist das Abschreiben – oder laut Hegemann „das Recht auf Kopieren“ (copy and paste; Kopieren und Einfügen) – nicht auf Überforderungen durch Bestsellerzwänge bei jugendlichen Autoren beschränkt, sondern ein inzwischen relativ häufiger Fall und in der wissenschaftlichen Literatur noch häufiger anzutreffen. Zumeist werden diese Fälle einvernehmlich per direkter Verständigung unter den Beteiligten geregelt und nicht öffentlich abgehandelt. Manches davon ist sicher der Versuch, sich an erfolgreiche Vorgänger anzuhängen, die sich schon ihrerseits an erfolgreiche Vorgänger angehängt haben, und einiges landet auch vor Gericht. Soeben wurde der deutsche Rapper Bushido in Hamburg verurteilt, weil er 16 Titel einer französischen Band als seine eigenen ausgegeben hatte; elf CDs von ihm müssen aus dem Verkauf genommen werden.

Neben solchen Urteilen sorgen illegales Kopieren, Tauschbörsen, Piratenparteien und revolutionäre gesellschaftliche und wirtschaftliche Erwartungen an technische Entwicklungen für ein Bedrohungsszenario der latenten Kriminalität von Nutzern digitaler Angebote. Die Zielgruppe bei der Bekämpfung von Raubkopien sind aber nicht die Nutzer, sondern die Betreiber. Und zum anderen muss schon mehr als nur die Ähnlichkeit von Werken zutreffen, damit es überhaupt zu Plagiatsvorwürfen kommen kann.

Das Urheberrecht schützt weder einzelne Formulierungen noch Konzepte oder Ideen. Ideen oder Konzepte müssen schriftlich ausgeführt sein, um unter den Urheberrechtsschutz fallen zu können. Es ist auch nicht möglich, Formulierungen, die dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen, schützen zu lassen, und es gelingt nur bei zu Klassikern gewordenen Büchern, die ständig lieferbar sind, ihre Titel für sich allein zu behalten. Selbst vom Urheberrecht zur Schutzwürdigkeit eines Textes geforderte typische originäre Wendungen und Formulierungen werden relativ rasch Allgemeingut und beginnen namenlos in den unterschiedlichsten Zusammenhängen zu kursieren, wie beispielsweise Erich Kästners „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, Ingeborg Bachmanns „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ und, aus jüngerer Zeit, Georg Bydlinskis „Einzeln sind wir Worte, zusammen ein Gedicht“. Manchmal entwickeln sie sogar so viel Eigenleben, dass man sie, wie im Fall Kästners, demjenigen als Zitat zuschreibt, der es verwendet, oder aber, wie im Fall Bydlinskis, als Text mit unbekannter Urheberschaft ausweist.

Wo ist hier der „Urheberrechtsexzess“?

Verwendung finden solche Texte in der politischen und kommerziellen Werbung, auf Transparenten in Demonstrationen, von der Lebenshilfeliteratur bis zu Angeboten von Juwelieren für Gravuren in Eheringen, überwiegend also in Zusammenhängen, in denen Geld gemacht wird, von dem die eigentlichen Urheber bzw. Rechtsnachfolger dieser Möglichkeit, Geld zu machen, aber keinen Cent sehen. So groß kann der „Urheberrechtsexzess“ also gar nicht sein.

Ganz im Gegenteil ist der Schutz des Urheberrechts dringender geboten denn je. Aus diesem Grund hat sich eine breite Achse von Interessenverbänden und Verwertungsgesellschaften aus allen Bereichen der Kunst und der Printmedien zusammengeschlossen, um in einer „Plattform Geistiges Eigentum“ zu raschen Urheberrechtsreformen zu kommen, die eine weitere Aushöhlung des Urheberrechts verhindern sollen. Fälle wie die des Raubkopierers Google und der Plagiate von Hegemann oder Bushido haben für die nötige Sensibilität gesorgt. Sie müsste eigentlich dazu reichen, dass allmählich auch die österreichische und die Politik der EU den dringend gewordenen Handlungsbedarf erkennen.

* Der Autor ist Geschäftsführer der IG Autoren

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