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Erst kam der Regen, dann der Schnee. Doch davon ließen sich die über 6.000 Jugendlichen in Mariazell keineswegs beeindrucken. von sebastian fleischer und stefan taferner

Freitag, 21. Mai, 19 Uhr 30. Tosender Applaus in der mit Jugendlichen voll besetzten Basilika von Mariazell: Kardinal Christoph Schönborn zieht ein, begleitet von Chorgesang und Klavier. Es ist der Beginn der Eröffnungsfeier der "Wallfahrt der Völker" für die Jugend.

Der erste Teil der Feier läuft nach dem Motto "Stimmung machen" ab: vier junge Moderatoren (drei Männer, eine Frau) aus verschiedenen Nationalitäten stellen die acht teilnehmenden Länder vor, es wird heftig gejubelt und applaudiert. Nationalflaggen werden geschwungen.

Wichtiger als schönes Wetter sei ein "großer Regen der Gnade", meint dann Kardinal Schönborn in seiner Ansprache, die er teilweise auf Englisch hält. "Durchnässt von Gnade" sollten die Jugendlichen sein.

Dann folgen Tanzvorführungen voller Symbolik sowie Glaubenszeugnisse von vier jungen Menschen, die von ihrem Lebensweg mit Christus erzählen. Danach kommt Kardinal Joachim Meisner, der Erzbischof von Köln, zu Wort: "Ich kenne einen alten, kranken Mann, der hat eine Koalition mit der Jugend geschlossen: Papst Johannes Paul II." Kein anderer könne so viele junge Menschen auf die Beine bringen, meint der Kardinal.

Eucharistische Anbetung bildet den Schlusspunkt der Feier und gleichzeitig den Übergang zur Gebetsnacht: Die ganze Nacht lang wird nun gebetet - die einzelnen Stunden gestalten nacheinander die teilnehmenden Länder.

"Ave Eva"

Bei den Worten Kardinal Meisners mag sich auch die Frage aufgedrängt haben, warum der Papst dem Ereignis in Mariazell letztlich ferngeblieben ist. Einige Medien hatten im Vorfeld behauptet, es sei wegen der Aufführung des "Skandal-Musicals" "Ave Eva". Der steirische Bischof Egon Kapellari bezeichnete derartige Behauptungen im Vorfeld des Katholikentages all "völlig unsinnig" und warnte davor, hier einen künstlichen Konfliktfall zu konstruieren.

Am Samstag, Tag zwei der großen Wallfahrt, wird das Stück im Rahmen eines von insgesamt 56 Jugend-Workshops aufgeführt, und der Andrang ist groß - möglicherweise aufgrund der Berichterstattung.

"Ave Eva - oder der Fall Maria", das Musical aus den 70er Jahren von Peter Janssens und Wilhelm Willms, erzählt das Schicksal von Maria und ist letztlich ein Plädoyer für das Leben. Das Ensemble - der Großteil stammt aus der Jugendgruppe "Sun&Co" der Pfarre Bad Pirawarth im Weinviertel - legt musikalisch und darstellerisch großes Engagement an den Tag. Eineinhalb Jahre habe die Probe gedauert, erzählt Christoph Lehner, der musikalische Leiter.

Europa für eine bessere Welt

Gleichzeitig geht es im Stadtsaal Mariazell sehr politisch zu. In einer Podiumsdiskussion sprechen Leo Gabriel vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Lateinamerika-Forschung und Barbara Buchinger (Katholische Jungschar und Jugend Oberösterreich) über die Ungerechtigkeit des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems - und die Verantwortung Europas, die Welt besser zu machen. Möglicherweise zu scharfer politischer Tobak, denn dieser Workshop erfreut sich nicht so großen Andrangs wie das Musical. Nur ungefähr zehn junge Menschen haben hergefunden, viele Sessel bleiben frei im Stadtsaal. Schließlich entfaltet sich aber unter einigen eine - auf Deutsch gehaltene - rege Diskussion über die Möglichkeiten des erweiterten Europa, die Welt zu verändern.

Unter den über 50 Workshops sind auch spirituelle Angebote und solche, bei denen die Jugendlichen kreativ sein können. So werden die jungen Gläubigen bei der Gebetsstunde in der Michaelskapelle zur "Entdeckung ihrer christlichen Identität" eingeladen. Ihre Eindrücke vom Katholikentag können die Teilnehmer im Jugendgästehaus St. Sebastian kreativ verarbeiten - hier wird ein Zeichen- und Mal-Workshop gestaltet.

Abends kommt dann der eigentliche Höhepunkt des Jugend-Schwerpunkts: das Abendprogramm, in dem sich jedes Land einzeln präsentiert.

Kalte Luft, gute Stimmung

Um 19 Uhr haben sich einige hundert kältegebeutelte Jugendliche, vor der großen Festbühne, die nun etwas überdimensioniert wirkt, versammelt. Die 21-jährige Marija aus Bosnien-Herzegowina klammert sich an ihre Freundin. Sie erzählt von der nicht gerade angenehmen Nacht in der Zeltstadt, vom eiskalten Boden. Weniger durchfroren wirkt Simon, 16, aus Linz. Aber er muss ja auch körperliche Arbeit verrichten, denn er schwingt eine gut fünf Meter hohe österreichische Nationalflagge umher.

Eine halbe Stunde später geht es schließlich los. Aus den paar hundert Wartenden ist mittlerweile eine Schar von schätzungsweise 5.000 Jugendlichen geworden, die der Kälte standhalten. An der Gestaltung des Programms sind viele beteiligt. Acht moderierende Jugendliche bilden den Rahmen für die Beiträge der einzelnen Länder. Diese setzen sich aus Tänzen, Musik und Moderationen zusammen - das Ziel: die Kultur des jeweiligen Landes vorzustellen. Bei den Beiträgen von Bosnien und Kroatien ist darüber hinaus der Schmerz des Krieges Thema der Vorstellung.

Österreich stellt sich zum Abschluss zunächst mit einem seiner "Wahrzeichen", der Mozartkugel, vor. Der tiefer gehende Teil des österreichischen Beitrags führt zur zentralen Botschaft des Abends hin. Mit der Thematisierung der Feuerzungen aus dem Pfingstevangelium wird den Tausenden anwesenden Jugendlichen verdeutlicht: "So wie damals in Jerusalem verstehen wir uns alle, egal, welche Muttersprache wir haben. Christus hält uns zusammen, er ist die Hoffnung Europas'".

Höhepunkt im Frost

Den Abschluss der "Wallfahrt der Völker" bildet der Jugendgottesdienst am Sonntag. Mehr als 4.000 Jugendliche warten ab elf Uhr am Festgelände auf den Beginn der Messe. Der liturgische Höhepunkt des Jugendprogramms fällt allerdings mit dem Tiefpunkt der Temperaturen an diesem Wochenende zusammen: es schneit. Die Jugendlichen nehmen's mit Humor: sie begrüßen ihre eintreffenden Freunde mit "Merry Christmas". Dementsprechend ungetrübt ist auch die Stimmung während der ganzen Feier, die von den Kardinälen Péter Erdö aus Ungarn und Miloslav Vlk aus Tschechien geleitet wird.

"Die Wallfahrt wird unvergesslich in euren Herzen bleiben", prophezeien die Bischöfe den Tausenden Jugendlichen vor dem Schluss-Segen. Und sie könnten recht haben, boten diese Tage doch eine Fülle von Besonderheiten - inklusive Schnee im Mai.

Eines ist an diesem Wochenende deutlich geworden: die 6.000 jugendlichen Pilger haben sich - nach den Worten von Kardinal Vlk - als "wetterfeste Christen" erwiesen. Ob es nun die über 1.000 Jugendlichen waren, die mit dem Rad oder gar zu Fuß gekommen sind, oder jene, die mit Bus oder Bahn angereist sind: Die - katholische - Jugend Europas hat sich nicht unterkriegen lassen - sondern ist in den steirischen Bergen möglicherweise ein Stück näher zusammengerückt.

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