Regentin mit Lifestyle-Assistentin

Werbung
Werbung
Werbung

Im Theater an der Wien ist Händels zu Unrecht selten gespielte Oper „Partenope“ zu sehen. Eine musikalisch exzellente Aufführung, die – durchaus originelle – Regie wirft einige grundsätzliche Fragen auf.

Was der Komponist dazu gesagt hätte? Gedanken darüber macht sich kaum mehr ein Regisseur. Stücke, die nichts hergeben, müsse man entsprechend herrichten, also: modernisieren. So hört man es immer wieder. Nicht selten, dass man sich fragt, was so manche Adaption mit dem ursprünglichen Textbuch zu tun hat. Pierre Audi, seit zwei Jahrzehnten künstlerischer Leiter der Oper in Amsterdam, hat am Wochenende seine neueste Inszenierung im Theater an der Wien vorgelegt: „Partenope“ von Händel.

Ernster Stoff, komisch gewendet

Jahrzehntelang suchte man nach diesem Dreiakter auf den Spielplänen vergeblich. Das Händel-Jahr – Händel starb vor 250 Jahren, am 14. April 1759 in London – hat es möglich gemacht, diese Oper wieder auf die Bühne zu bringen. Selbst in bedeutenden Nachschlagwerken findet man nur wenig darüber. Was, selbst angesichts der insgesamt 42 Opern, die Händel komponiert hat, ungerecht ist. Zwar sind es weniger die Ensembles, die hier für sich einnehmen, aber das Zusammenspiel von Singstimmen und Orchester und Arien, die zum Teil den ernsten Stoff ins Komische wenden, ohne dass „Partenope“ damit zur Opera buffa wird, sind es nicht nur wert, gewusst und gehört zu werden – sie gehören zum Gelungensten von Händels stattlichem Opernœuvre.

Gelingt es dies, wie gerade im Theater an der Wien, mit einem hervorragenden Sängerensemble zu realisieren – Christine Schäfer (Partenope), Kurt Streit (Emilio), David Daniels (Arsace), Patricia Bardon (Rosmira), Florian Boesch (Ormonte), Matthias Rexroth (Armindo) – ist der Erfolg auch schon garantiert. Noch dazu, wenn man über die entsprechenden Instrumentalisten verfügt. Und auch sie waren zur Stelle: Christophe Rousset und seine ganz auf authentische Musikpraxis eingeschworenen, dementsprechend zumeist mit konzisen, kantigen Akzenten brillierenden Musiker von Les Talens Lyriques.

Dünne Handlung

Zugegeben, die Handlung des Werks ist dünn: Drei Liebhaber – Arsace, Armindo und Emilio – umgarnen Neapels Regentin Partenope. Erst als Arsaces frühere Verlobte Rosmira, in Männerkleidung zu Eurimene geworden, ins Geschehen eingreift, immer wieder die Treuelosigkeit Arsaces beschwört, schließlich damit auch Partenope überzeugen kann, wird es spannender. Ob es damit nicht auch gelänge, eine beziehungsvolle, gezielt auf einzelne Charaktere gerichtete Inszenierung zusammenzubringen? Für Audi offensichtlich nicht. Nicht nur, dass er die Handlung in die Gegenwart versetzt, wartet er dann auch noch mit allerlei Neudeutungen auf. Plötzlich sieht man sich einer Partygesellschaft gegenüber. Das bietet dann auch Gelegenheit, mit zusätzlichen Darstellern aufzuwarten – auch wenn sie zum Stummsein verdammt sind, denn Händel hat weder sie noch für sie etwas vorgesehen. Solcherart begegnet man neben House Boys, Dienstmädchen und Bodyguards auch noch einem Personaltrainer, einer Lifestyle-Assistentin, wird Zeuge, wie sich Partenope maniküren lässt.

Solange solches halbwegs zur Musik passt, vielleicht bei der einen oder anderen Arie auch für optische Abwechslung passt, mag man es hinnehmen. Die Frage, und die stellt sich auch bei dieser Inszenierung, ist nur, welche Botschaft man mit derartigen Umdeutungen vermitteln will: Dass das Publikum ohne solche Zutat diese Musik nicht „aushalten“ kann? Dass das Interesse an Geschichte so geschwunden ist, dass man alles in die Gegenwart übersetzen muss? Dass es allemal spannend ist, Musiktheater mit den Instrumenten der Zeit, aber mit der Umwelt der Gegenwart gewissermaßen kontrapunktisch darzustellen? Oder aber, dass der Regisseur mit einem solchen Sujet nur dann etwas anzufangen weiß, wenn er es in die heutige Alltagswelt übersetzt?

Was immer sich hier dem Betrachter als Antwort anbietet, offen bleibt – und diese musikalisch exzellent gelungene, szenisch bei aller Detailkritik mit vielen originellen Pointen aufwartende Regie ist keine Einzelerscheinung – meist die persönliche Stellungnahme zum jeweiligen Sujet. Oder ist Lifestyle, was immer man darunter versteht, auch schon Zeitgeist?

14. 4. 1759

An diesem Tag, also vor 250 Jahren, starb Georg Friedrich Händel in London. Seine 42 Opern sind heute nur noch selten zu hören.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung