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Was das Publikum als großartigen Regieeinfall beklatschte, erwies sich als ganz normale technische Panne: Im Großen Dramatischen Theater von St. Petersburg löste jüngst ein falscher Feueralarm die Sprenkleranlage aus und setzte während einer "Schwanensee"-Premiere die Bühne unter Wasser. Während die Tänzer hinter die Kulissen flüchteten, brandete im Zuschauerraum begeisterter Szenenapplaus auf.

Der Drang nach originellen Inszenierungen treibt heute bei Regisseuren und offensichtlich auch bereits bei den Zuschauern seltsame Blüten. Gefragt ist alles, was vom "normalen" Ablauf abweicht. Ob der Effekt dann gewollt ist oder nicht, ob er zum Stück passt oder nicht, ist schon eine andere Frage. Wassermassen in "Schwanensee", züngelnde Flammen am Ende der "Jungfrau von Orleans" oder ein einbrechender Bühnenboden im "Don Giovanni" wirken vermutlich sehr stimmig.

Vieles, was nun schon seit Jahrzehnten im Theater, vornehmlich im deutschsprachigen, passiert, verdient aber nicht den Titel Regieeinfall, sondern Regieeinfalt. Die Leidtragenden sind vor allem die Autoren (meist tote, die sich nicht mehr wehren können), viele Schauspielerinnen und Schauspieler (die ihre Traumrollen nur als Marionetten einer selbstgefälligen Regie spielen können) und ein großer Teil des Publikums (der nach wie vor wegen des Stückes und nicht wegen des Regisseurs ins Theater geht).

Platz haben soll im heutigen Theater alles: die konventionelle Aufführung genauso wie das Regieexperiment. Nur wüssten viele Besucher gerne schon vorher, was sie erwartet: ein Stück, wie es im Textbuch steht, eines, das entstellt wurde und gar nichts mehr aussagt (die "Antigone" am Wiener Volkstheater) oder eines, das gegen den Strich gebürstet wurde und eine neue Aussage bekommen hat (wie bei Inszenierungen von Martin Kusej). Da bleibt nur eines: Kritiken lesen - oder sich überraschen lassen.

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