Regierungsklausur: „Nachsitzen mit Erfolg“

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Die Regierung hat bei ihrer Klausur in Salzburg einiges an Boden gutgemacht, den sie durch das Hickhack der vergangenen Monate verloren hatte. Trotzdem scheint die Zeit der offen zur Schau gestellten Herzlichkeit einer nüchternen Auseinandersetzung politischer Kontrahenten gewichen zu sein. Ihr Trumpf: Die Fähigkeit zum Kompromiss.

In Salzburg versteht man unter Renaissance derzeit nicht so sehr eine Stilepoche und den Zustand der schöpferischen Wiedergeburt als vielmehr das Gegenteil von Werden: Das Vergehen. Denn das „Renaissance-Hotel“ mit seinen sechs Stockwerken, 246 Zimmern, elf Suiten und 18 Meeting-Rooms, samt Wellnessbereich und Indoorpool ist ein Konkursfall. Dass sich die Bundesregierung ausgerechnet dieses Hotel im Bahnhofsviertel Salzburgs aussuchte, um sich in Klausur zu begeben, mag mit dem Wunsch nach Wiedergeburt konstruktiver Regierungsarbeit zu tun haben, führte aber aufgrund der Pleitenkonnotation zu eher düsteren Erwartungen.

Zum Omen passend stellen sich Montag früh auch noch Regen und Kälte ein, dazu gesellten sich demonstrierende Milchbauern, die die Regierung vor dem Hotel mit unfreundlichen Protestnoten empfingen. Eine drohenden Kulisse für die von Kanzler und Vizekanzler seit Tagen in Interviews herbeigesehnten Rückkehr zur Arbeit zwischen SPÖ und ÖVP.

Die Mitarbeiter der Firma Erdal wähnten offenbar Böses und hatten Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner bei einer Betriebsbesichtigung im Vorfeld der Klausur vorsorglich mit Desinfektionsmittel ausgestattet. So gewappnet also würden sich Rot und Schwarz die Hände reichen? Eine erste Wortmeldung Josef Prölls schien ganz in die seit Frühsommer praktizierte Richtung zu gehen. Claudia Schmieds Vorschlag zur Abschaffung des Nachsitzens sei „unausgegoren“.

Stunde der Einigungen

Doch hinter den verschlossenen Türen des Tagungssaals entwickelten sich die Dinge unerwartet anderes: Nach drei Stunden verkünden Faymann und Pröll den lang verzögerten Kompromiss in Sachen Krankenkassen: 600 Millionen Euro werden an die Kassen ausbezahlt, unter der Bedingung, dass der Reformwille auch durch tatsächliche Einsparungen in Höhe von 1,7 Milliarden bewiesen wird.

Ein erster Schritt zur Sanierung des Gesundheitssystems, verglichen allerdings mit den gänzlich fehlgeschlagenen Bemühungen der Regierung Gusenbauer ein Meilenstein. Warum man dafür sechs Monate länger gebraucht hat, als eigentlich notwendig gewesen wäre, erklärt man in der Regierung lapidar mit „Annäherungsproblemen“. Und diese könnten wohl auch dann wieder schlagend werden, wenn die Interessenvertretung der Ärzte wegen ihrer nur teilweise von Pröll angenommenen 900 Millionen-Forderung wieder auf die Barrikaden steigt.

Doch solche Details kümmern die Regierung Montag nachmittag im Salzburger „Renaissance-Hotel“ nicht. Eine zweite Übereinkunft steht an: Das verschärfte Fremdenrecht, stolz präsentiert von Innenministerin Maria Fekter und Norbert Darabos (SPÖ).

Sie sprechen von einer „effizienteren Anwendung der Schubhaft“, die Einschränkung von Folgeanträgen, von DNA-Analysen und Röntgenaufnahmen zur Feststellung von Alter und Identität. All das sei notwendig, um „Hintertüren für Schlepper zu schließen“ (Fekter). Juristisch ist diese Materie hoch komplex und moralisch umstritten, innerkoalitionär dagegen handelt es sich um eine einfache Übung. Denn restriktivere Gesetzgebung im Asyl- und Fremdenwesen ist seit den 90er Jahren zu einer in allen Koalitionen einträchtig vollzogenen Übung geworden. Ebenso traditionell unbeachtet bleibt da meist der Protest von sozialen und kirchlichen Nichtregierungsorganisationen, so auch diesmal (siehe auch Seite 10).

Historisch wesentlich umfehdeter war da schon die am Dienstag präsentierte Einigung um das Kinderbetreuungsgeld, mit dem die Koalition mehr Väter in die Karenz locken, alleinerziehende Mütter in Härtefällen absichern und eine neue, nicht rückzahlbare Beihilfe zum Kinderbetreuungsgeld schaffen will. Auf die Frage, warum zu all diesen Beschlüssen eine Klausur notwendig war? „Das war Nachsitzen mit Erfolg“, so ein SPÖ-Delegationsmitglied über die ertragreiche Beschlusslage.

Als Demonstration nüchterner Sachlichkeit wollen es die Regierungskoordinatoren Maria Fekter und Josef Ostermayer (SP) beschrieben wissen. Entsprechend voll des Lobes ist Ostermayer über sein Vis-à-vis: „Die Zusammenarbeit mit Fekter ist sehr gut.“ Vergangenheit scheint allerdings der einst zelebrierte „Kuschelkurs“ zu sein. Sobald die Verhandlungen beendet sind, erlischt in Salzburg auch das Gespräch zwischen den Parteienvertretern – sei es beim Frühstück, an der Bar, beim Lunch: Die Grüppchen die miteinander scherzen und diskutieren, sind immer homogen gefärbt. Rot tafelt mit Rot, Schwarz lacht mit Schwarz.

Ein schwarzes Happy Birthday

Als sich am Montag abend die Regierung zum Diner in der Salzburger Residenz einfindet und der 41. Geburtstag Josef Prölls gefeiert werden soll, singt ihm außer Faymann und Gastgeberin Gabi Burgstaller nur die VP-Riege das Happy Birthday. Die meisten SPÖ-Funktionäre berufen sich danach aufs Nicht-Singen-Können.

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