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Die Kunsthalle Krems zeigt erstmals in ihren Galerieräumen eine Gesamtschau zum Literaten der Gugginger Künstlerkolonie, Ernst Herbeck.

Je größer das Leid / Desto größer der Dichter / Umso härter die Arbeit / Umso tiefer der Sinn": Diese Zeilen schrieb Ernst Herbeck unter dem Titel "Dichter". Sein Leben war voll Arbeit - und voller Gedichte. In der Ausstellung "Ernst Herbeck (1920-1991)" in der Kunsthalle Krems kann man jetzt in das lyrisch-poetische Universum dieses Literaten der Gugginger Künstlerkolonie eintauchen.

Leo Navratil, Psychiater und Mentor des Dichters, hat diese erste Herbeck-Gesamtpräsentation kuratiert. Ein berührendes Gewebe fragiler Texte umgarnt da die Seele, einige davon hat Herbecks Freund Oswald Tschirtner illustriert. Dessen charakteristische "Kopf-füßler" - lange, schwebende Wesen, die nur aus Linie bestehen und nie den Boden berühren - entsprechen dieser Lyrik. Dokumente, Autographe, Bücher, Zeichnungen von Herbeck und Fotografien, die ihn einsam lesend, sinnend oder im Gugginger Alltag zeigen, ergänzen die Schau.

"Das Gesicht ist manchesmal rund / Und länglich. - / Die Augen als die Treue gilt. / Die Nase in der Mitte ist. / der Mund. Das Ge-sicht. / die Menschen und Jeder hat ein / Gesicht. / Das Gesicht ist der erste Blickfänger / der Menschen." Ernst Herbeck hatte ein ausdrucksvolles Gesicht mit sinnendem, nachdenklichem Blick. Auf vielen Porträtaufnahmen kann man ihm begegnen, dem Blickfänger des Menschen Herbeck. Er war durch eine vom Schnurrbart verdeckte Lippen-Kiefer-Gaumenspalte am Sprechen behindert und, medizinisch betrachtet, schizophren.

1946, im gleichen Jahr, als der Psychiater Leo Navratil als junger Arzt nach Gugging kam, zog der Patient Herbeck ein. Weil er sehr verschlossen war und sich mit dem Reden schwer tat, kam Navratil auf die Idee, ihn zum Schreiben zu animieren. "Der Morgen / Im Herbst da reiht der Feenwind / da sich im Schnee die Mähnen treffen. Amseln pfeifen heer / im Wind und fressen" war das erste Gedicht, das 1960 entstand.

Wie das vor sich ging, zeigt neben anderen Episoden des Gugginger Daseins der Dokumentarfilm "Zur Besserung der Person", den Heinz Bütler 1980 drehte. Ernst Herbeck beim konzentriertbedächtigen Wuzeln einer Zigarette, daneben sitzt geduldig der Psychiaterfreund und wartet, dass sein Patient das leere Blatt vor ihm mit Sinn füllt. Das Thema gab Navratil meist vor, was herauskam, war reine Poesie.

Herbeck sprechen zu hören, berührt zutiefst. In "Der Patient" schrieb Herbeck als zweite Strophe: "der Arzt zieht die Nummer / dann / dem Patienten eine neue Seele an. / der im neuen Geiste einer krankheit, / immer weiterziehen soll." Oswald Tschirtner illustrierte beides unbeschreiblich treffend.

Unter dem Pseudonym "Alexander" wurde Herbeck berühmt, seine Texte wurden ins Ungarische, Englische, Französische, Holländische und Japanische übersetzt. "Der Dichter Alexander Herbrich gehört zur auserwählten schmerzhaften Gruppe der Verschwiegenen, und ohne Ihre Hilfe, sehr verehrter Herr Primarius, hätte er sich wohl vollends verschwiegen, und unsereins wüsste nicht, wie unerreichbar hoch die Latte liegt, der unsere Sehnsucht gehört", schrieb André Heller 1977.

Ernst Herbeck erfasste einen Zipfel dieser Sehnsucht. "Der Tod kam einst einhergeschlichen / und raubte den Toten das Le-ben. / so ist der Tod wie einst verblichen. / und schenkte den Toten wieder / das Leben." Am 11. September 1991 starb Herbeck in Gugging, zur Dichtkunst hatte er bemerkt: "Ist vorübergehend beim Menschen." In Krems lässt sich nachlesen, wie oft sie bei Ernst Herbeck war.

Ernst Herbeck (1920-1991) ist bis 18. August in der Kunsthalle Krems zu sehen. Öffnungszeiten: täglich 10-18 Uhr. Dazu ist der Katalog "Ernst Herbeck. Die Vergangenheit ist klar vorbei" mit Texten des Dichters, Zeichnungen von Oswald Tschirtner und Textbeiträgen u. a. von Ernst Jandl, Leo Navratil, André Heller und Friederike Mayröcker erschienen.

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