Reise zurück ins Leben

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Nach "Schnee, der auf Zedern fällt" erscheint Gutersons Zweitling sofort auch auf deutsch.

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Nach "Schnee, der auf Zedern fällt" erscheint Gutersons Zweitling sofort auch auf deutsch.

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Mit seinem Roman "Schnee, der auf Zedern fällt" hat der amerikanische Autor David Guterson euphorische Kritiken geerntet. Sein jüngstes Buch "Östlich der Berge", das nun schon zeitgleich mit der Originalfassung auch in deutscher Sprache erschien, ist bereits drauf und dran, in den Bestsellerlisten ähnlich erfolgreiche Hochseilakte zu vollbringen. Die Leser mögen Gutersons Bücher und die suggestive Kraft seines Erzählens. So wie hier: Ein Mann in der Einsamkeit der Salbeiwüste auf dem Weg zum östlichen Ufer des Columbia River. Eigentlich gedacht als letzter Aufbruch. Das wäre fast pathetisch. Aber selbstverständlich ahnt man, daß alles ganz anders kommen muß.

Der Roman beginnt mit der Nacht, die der krebskranke Arzt Ben Givens aus Seattle zu seiner letzten bestimmt hat. Der Entschluß steht fest, felsenfest. Eine Jagd in den Bergen und danach Aufbruch zum Land, in dem er geboren wurde, um sich dort das Leben zu nehmen, auch wenn es "im Widerspruch zu dem Leben stand, das er gelebt hatte, im Widerspruch zu allem, was er über sich und die Welt gewußt hatte". Der Selbstmord soll wie ein Unfall aussehen. Nur keine Tragödie, statt dessen "ein sauberes, unkompliziertes Ende". Mit seinen beiden Hunden und dem alten Scout bricht er im Morgengrauen auf.

Der Zufall will es, daß er kurz nach Antritt der Reise einen Unfall hat. Der Vorfall schlägt ein erstes Loch in die Matrix des Tages und bläst die Handlung mit neuer Dynamik auf. Denn Ben will an seinem Vorhaben festhalten, daran ändert auch die schlimme Wunde über dem Auge nichts. Vor ihm liegt im kargen Oktoberlicht die trockene Salbeiprärie. Hier vermutet er Vögel in der Grannenhirse. Und da sind noch die Joints, die ihm ein Tramper überlassen hat, prädestiniert, dem Schicksal letzte Träume abzulocken: Zähflüssige Träume, die die Vergangenheit entrümpeln und luzide Erinnerungsgemälde in die Gegenwart ziehen, auch wenn "in der Erinnerung alles eine Wahrhaftigkeit erhält, die nur eine andere Art von Falschheit ist". Da rollt die Kindheit im Land der Apfelplantagen durch den Kopf, der Tod der Mutter, die erste Begegnung mit der großen Liebe Rachel, die später seine Ehefrau wird. Und das große Monster Krieg. Sinnloses Sterben. Alptraum Tod. Zwischen den vielen Krisenmomenten wird Glück nur am Rand gestreift. Der Tod zeigt sich als Lebensthema, ja als "Gegenstand jahrelanger Denkarbeit". Immer jagte Ben einem hybriden Vexierbild nach. Guterson wartet hier mit schaudernden Bildern auf. Den Leser streift der fröstelnde Geruch des Grabes, flankiert vom Wind des Todes. Das alles sickert aber ohne tiefere gedankliche Brisanz in die Seiten, es bleibt bei Grauen und stiller Furcht; Angst ist dabei Motor der Verdrängung.

Die Reise östlich der Berge wird für den Protagonisten eine Reise zum Ich, zum inneren Kampf um das Leben. Der geplante Tod rückt in den Schatten, aber nicht nur deshalb, weil die Gegenwart einen neuen Erfahrungsraum bereit hält, der die Welt noch einmal mit vitaler Intensität wirken läßt. Für den Leser bleibt Bens Vorhaben seltsam abstrakt; man traut dem Helden die letzte Konsequenz eigentlich gar nicht zu. Guterson spitzt das Geschehen gekonnt auf das diffizile Emotionspanorama des krebskranken Mannes zwischen der Unerträglichkeit des Schmerzes und Lebenssehnsucht zu. Besonders tragisch wirkt die Kontrastierung des verfallenden Körpers mit der herbstlichen Schönheit eines Kirschgartens am Columbia River: "Er wollte diese Welt, keine andere. Er kannte keine schönere Welt." Traumbild und Realität werden eins, der Kreislauf des Werdens und Vergehens schließt sich noch einmal auf anderer Ebene. Denn just im Augenblick, als Ben dem Tod gedanklich am nächsten ist, holt er ein steckengebliebenes Kind aus dem Körper einer jungen Frau.

Guterson ist ein Erzähler mit erstaunlicher Beobachtungsgabe. Seine Figuren kommen meisterhaft plastisch und mit erfrischender Natürlichkeit daher. Egal ob Arzt oder Obstpflücker aus dem Niemandsland, sie werden zu Akteuren authentisch wirkender Szenarien, von denen einige ungemein berührend sind, wie etwa der Abschied von der sterbenden Mutter oder die schwierige Geburt in einem Wohnwagen. Der Roman ist auch da besonders eindrucksvoll, wo er seine Stimme anhebt zur Schilderung von Weite und Vielfalt amerikanischer Landschaft. Stille Faszination geht aus von diesen bezwingenden Bildern. Nebenbei sucht man vergeblich eine kecke Wucherung im Spannungsbogen, aber Bens Weg scheint festgeschrieben zu sein. Kein punktuelles Ereignis zwingt ihn zur Umkehr. So leicht stiehlt man sich eben nicht davon. Und das nicht nur deshalb, weil Ben noch ein Versprechen einzulösen hat, "ein sentimentales Gelübde", das er Rachel einst im Zug zwischen Mantua und Bressanone gegeben hat, nämlich, ihrer beider Asche zum Humus für rote und weiße Rosen werden zu lassen, die sich einmal ineinander verschlingen sollen.

Östlich der Berge. Roman von David Guterson. Übersetzung: Susanne Höbel. Berlin Verlag, Berlin 1999. 324 Seiten, geb., öS 291,-/e 21,15

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