Reisen auf Kosten der Umwelt

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Daß der Flugverkehr ein wachsendes Umweltproblem darstellt, wird immer offenkundiger. Die Politik ist gefordert. Absichtserklärungen genügen nicht.

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Daß der Flugverkehr ein wachsendes Umweltproblem darstellt, wird immer offenkundiger. Die Politik ist gefordert. Absichtserklärungen genügen nicht.

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Als im Sommer 1999 am Flughafen Wien- Schwechat eine Landepiste umgebaut wurde und deshalb plötzlich über Monate viele Flugzeuge, oft im Abstand weniger Minuten, über das dichtbewohnte Wiener Stadtgebiet den Flughafen anflogen, wurde vielen Wienerinnen und Wienern der Flugverkehr als sehr störende Lärmquelle bewußt. Für Anrainer von Flughäfen ein leidvoller Dauerzustand.

Nicht zufällig konzentriert sich deshalb die von Anrainer-Bürgerinitiativen getragene Kritik am Flugverkehr seit Jahrzehnten auf die Fluglärmproblematik. Was häufig als lokales Problem abgetan wird, dem übergeordnete wirtschaftliche Interessen entgegengehalten werden. In Wien- Schwechat sind Anrainer bis heute auf freiwillige Zahlungen der Flughafenbetreiber für Lärmschutzeinrichtungen angewiesen. Ein Fluglärm-Gesetz, das rechtliche Ansprüche der Anrainer definieren könnte und sollte, gibt es in Österreich bis heute nicht.

Werden einerseits die mit dem Betrieb eines Flughafens verbundenen negativen Auswirkungen als regionales Problem marginalisiert, so ist es andererseits die globale Dimension der aufgrund der enormen Wachstumraten des Flugverkehrs rasch zunehmenden Flugverkehrsemissionen, die wirksame Gegenmaßnahmen so erschwert. Denn ein Konsens zwischen den Staaten für weltweite - ja selbst "nur" europaweite - Maßnahmen ist schwer zu finden.

Daß solche Maßnahmen unumgänglich sind, belegen mittlerweile zahlreiche Studien, deren Inhalt der VCÖ Verkehrsclub Österreich in seiner Publikation "Flugverkehr - Wachstum auf Kosten der Umwelt" zusammengefasst hat.

War der Flugverkehr im Jahr 1992 für 3,5 Prozent des globalen Treibhauseffektes verantwortlich, so wird dieser Anteil aufgrund des prognostizierten Wachstums in 50 Jahren bis zu 15 Prozent betragen. Das ist die Kernaussage des im Juni 1999 veröffentlichten "Special Report on Aviation and the Global Atmosphere" des IPCC, einem im Zuge der UN-Klima-Rahmenkonvention eingesetzten weltweiten Expertengremiums.

Bereits bis zum Jahr 2015 wird sich nach Einschätzung des IPCC-Berichtes der weltweite Verbrauch von Flugtreibstoff von 130 Millionen Tonnen im Jahr 1992 auf 300 Millionen mehr als verdoppeln - mit entsprechenden Steigerungsraten der damit verbundenen klimawirksamen Emissionen.

Die große Problematik beim Flugverkehr ist, daß er seine Abgase in sensible Atmosphärenschichten emittiert, wo sie weit höhere Schädlichkeit entfalten als in Bodennähe.

CO2 gilt als hochwirksames Treibhausgas. Seine Reduktion ist daher Inhalt aller internationalen Klimaabkommen - so einigten sich die Staaten bei der 3. Weltklimakonferenz in Kyoto 1997 auf das Klimaschutzziel einer Reduktion des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2010 um 13 Prozent (ausgehend von den Emissionen des Jahres 1990). Etwa ein Viertel der CO2 -Emissonen in Europa werden vom Verkehr verursacht, bereits elf Prozent davon vom Flugverkehr. Die derzeitigen jährlichen Wachstumsraten des Flugverkehrs von vier bis sechs Prozent, bedeuten eine Verdoppelung binnen 20 Jahren, mit ähnlichen Zuwächsen beim CO2 -Ausstoß. Eine Entwicklung, die sämtliche Klimaschutzziele konterkariert.

Deshalb ist es unverständlich, daß in Kyoto das Thema Flugverkehr ausgespart blieb und ohne Ziel- und Zeitvorgabe an die internationale Flugverkehrsorganisation ICAO delegiert wurde, deren Hauptgeschäft die Förderung und Erleichterung des Flugverkehrs ist. Damit wurde der Bock zum Gärtner gemacht und das Thema auf die lange Bank geschoben - denn die Entscheidungsgremien der ICAO treten nur alle drei Jahre zusammen - das nächste Mal im Jahr 2001.

Aber auch andere Schadstoffe tragen zur Belastung bei, etwa das vom Flugverkehr emittierte Stickoxid. Es spielt bei der Ozonbildung einer Rolle. Dieses stört die natürliche atmosphärische Zirkulation, indem es in der Troposphäre (über Europa etwa bis zehn Kilometer Höhe) treibhauswirksam ist und in der darüberliegenden Stratosphäre kühlend wirkt. Ähnliches berechnen Wissenschaftler auch für den in Form der Kondensstreifen bestens sichtbaren, vom Flugverkehr emittierten kristallisierten Wasserdampf, von dem rund 80 Millionen Tonnen jährlich in die Stratosphäre emittiert werden.

Ozonbildung Wasserdampfemissionen haben in der natürlichen Luftfeuchtigkeit in Bodennähe keine Bedeutung, können aber in trockenen höheren Atmosphärenschichten durch bewölkungsähnliche Zustände treibhauswirksam werden. Über Europa, wo sich zahlreiche vielbeflogene Korridore befinden, können im Jahresmittelwert mehr als fünf Prozent des Himmels durch Kondensstreifen bedeckt sein.

Das rasche Wachstum des Flugverkehrs ist nicht zuletzt das Ergebnis massiver Förderungen der Flugverkehrsindustrie, die dazu beitragen das Fliegen künstlich billig gemacht wird. So genießt der Flugverkehr zahlreiche Privilegien, von denen andere Verkehrsträger nur träumen können. Auf den Flugtreibstoff Kerosin wird weder Mineralölsteuer noch Mehrwertsteuer eingehoben. Tickets für grenzüberschreitende Flüge sind mehrwertsteuerfrei (nicht so Bahntickets).

Trotz Subventionsverbot in der EU erhielten mehrere europäische Fluggesellschaften noch in den neunziger Jahren von ihren Staaten, von der EU geduldet, Subventionen in Milliardenhöhe. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl indirekter Begünstigungen, wie steuerliche Sonderbehandlungen oder Finanzierung der Entwicklung der kommerziellen Luftfahrt über Verteidigungs- und Raumfahrtbudgets. So tragen beispielsweise die europäischen Regierungen rund 30 Prozent der Kosten der Entwicklung jedes neuen Airbus-Flugzeuges. Mit der Abschaffung des Duty-Free-Handels für Fluggäste innerhalb der EU ab 1. Juli 1999 wurde ein erster Schritt zum Abbau dieser Privilegien gesetzt.

Es ist ein Verdienst der europäischen Nichtregierungs-Organisationen (NGO) aus dem Umwelt- und Verkehrsbereich, die Umweltauswirkungen des Flugverkehrs in den späten neunziger Jahren zum fixen Diskussionspunkt der Verkehrspolitik in der EU gemacht zu haben.

Die von den niederländischen "Friends of the Earth" initiierte internationale Kampagne "Right Price for Air Travel", die 1997 gestartet wurde und die in Österreich vom VCÖ Verkehrsclub Österreich koordiniert wird, hat dazu wesentlich beigetragen. Der Dachverband der Verkehrsclubs in Brüssel Transport & Environment (T & E) wurde von der ICAO vor wenigen Monaten Beobachterstatus im Ausschuß zum Thema Umweltschutz und Luftfahrt, der die Kyoto-Vorgaben behandelt, eingeräumt.

Die EU warnt Die EU-Kommission hat Anfang Dezember 1999 eine Mitteilung zum Thema "Flugverkehr und Umwelt" veröffentlicht, in der sie vor der rasant wachsenden Umweltbelastung durch den Flugverkehr warnt. Die aktuellen Wachstumsraten im Flugverkehr würden die ökologischen Fortschritte, die durch Technologie und effizientere Organisation erreicht werden, wieder zunichte machen.

"Dieser Trend muß wegen seiner Auswirkungen auf das Klima und die Lebensqualität und Gesundheit der europäischen Bevölkerung umgekehrt werden", heißt es darin. Möglichkeiten zur Einführung einer Kerosinsteuer oder emissionsbezogener Fluggebühren wurden und werden in Studien untersucht.

Auch in Österreich haben sich Umweltminister Bartenstein und Verkehrsminister Caspar Einem für eine Kerosinsteuer ausgesprochen. Ebenfalls hat der niederösterreichische Landtag erst kürzlich die Bundesregierung aufgefordert, Initiativen in diese Richtung zu setzen.

Das Problembewußtsein ist also auf politischer Ebene geschaffen. Wann das zu wirksamen Maßnahmen führen wird, die den objektiv längst nicht mehr zu rechtfertigenden, wettbewerbsverzerrenden Privilegien des Flugverkehrs ein Ende machen und dem Flugverkehr auch seine Umweltkosten in Rechnung stellt, bleibt abzuwarten.

Zum Thema Weitere Information Flugverkehr - Wachstum auf Kosten der Umwelt, 64 Seiten, öS 240.Zu beziehen bei: VCÖ Verkehrsclub Österreich, Dingelstedtgasse 15, 1150 Wien (Tel. 01-8932697) Im Internet: IPCC-Bericht: www.unep.ch/ipcc Zur Kampagne "Right Price for Air Travel": http://www.milieudefensie.nl/airtravel/indes.htm Zur Mitteilung der EU-Kommission: http://europa.eu.int/com

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