Religiosität äußert sich in den Taten

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Das Judentum betrachtet die Taten eines Menschen als wichtigsten Ausdruck religiösen Lebens und legt auf sie mehr Wert als auf Glaubensbekenntnisse. Aufgabe des jüdischen Volkes ist es, aus seiner Beziehung mit Gott heraus seinem ethischen Anspruch universale Geltung zu verleihen. Daher unser Engagement für soziale Gerechtigkeit und Freiheit aller Menschen. Das Judentum fordert das Ende von Ausbeutung und Tyrannei, Armut und Vorurteil, menschlichem Leiden und Ungleichheit. Seit der Emanzipation haben sich Rabbiner und Laien deshalb für staatsbürgerliche Rechte eingesetzt, für die Trennung von Religion und Staat, das Recht auf Geburtenkontrolle, gerechte Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, gegen Kinderarbeit. Juden waren Vorreiter der Friedensbewegung und des ökologischen Protests. Sie marschierten mit Martin Luther King für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner in den USA. Dabei war ihre Zugehörigkeit zum jüdischen Volk ihr zentraler Beweggrund.

Gibt es demnach eine Abstufung zwischen Geboten der Sittlichkeit und dem Zeremonialgesetz? Manche Juden würden das bejahen. Der frühere Rabbiner von Belgrad, Simon Bernfeld (1860-1940), weist in den 1920er Jahren im Vorwort zu den "Lehren des Judentums nach den Quellen" auf den Umstand hin, dass in den drei Bänden von Ritualgeboten davon keine Rede ist: "Das Judentum ist in diesem Werk in seinem dogmatischen und ethischen Gehalt behandelt worden; das Zeremonialgesetz liegt nicht im Bereich dieser Darstellung." Damit wird deutlich: Juden sollten sich nicht mit dem hohlen Ritual zufriedengeben. Ethische Pflichten brauchen eine klare Verankerung und Konkretisierung im Alltag. Dazu gehören das Führen eines jüdischen Haushalts, das Studium der Tradition, das regelmäßige Gebet und das Halten von Schabbat und Feiertagen.

* Der Autor ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, der einzigen Rabbiner-Ausbildungsstätte im deutschen Sprachraum.

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