Repräsentantin der urbanistischen Populärkultur

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Das Architekturzentrum Wien bietet die Möglichkeit, sich der 87-jährigen Architektin, Stadtplanerin, Lehrerin und Autorin Denise Scott Brown auf spielerische Weise zu nähern.

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Das Architekturzentrum Wien bietet die Möglichkeit, sich der 87-jährigen Architektin, Stadtplanerin, Lehrerin und Autorin Denise Scott Brown auf spielerische Weise zu nähern.

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Denise Scott Brown und Robert Venturi waren ein Dream-Team der Architektur. 1960 traf sie ihren späteren Gatten, Reisegefährten und intellektuell-architektonischen Sparringspartner an der Pennsylvania Academy of Fine Arts zum ersten Mal, kurz darauf unterrichteten sie bereits gemeinsam. Ihre Publikation "Learning from Las Vegas" wurde ein wegweisendes Kultbuch für alle einschlägig Interessierten. 1972 erstmals erschienen (mit Steven Izenour), bildet es die zum Buch komprimierte Essenz eines Forschungsprojekts, bei dem sie Las Vegas dokumentiert und aufgenommen haben.

Die laute Ästhetik des "Strip" mit seiner Vielzahl an bunten Logos, Zeichen, Symbolen und Schriften, die alle für sich um Aufmerksamkeit buhlen, deuteten sie als Repräsentanten einer urbanistischen Populärkultur. Ohne Berührungsangst vor Trash und Kitsch analysierten sie Las Vegas als neuartige Stadt mit ganz eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die den klassischen Formenkanon ablösten. Dieser reflexive und vor allem kontextuelle Blick auf massenkulturelle Phänomene war schon damals revolutionär und hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Längst ist "Learning from Las Vegas" ein Klassiker der Architekturtheorie, der inzwischen Generationen von Architekturschaffenden beeinflusst hat.

1967 heirateten die beiden, im selben Jahr begann Scott Brown auch in Venturis Architekturbüro zu arbeiten, 1980 wird es in "Venturi, Rauch &Scott Brown" umbenannt. Viele große städtebauliche Projekte, aber auch Einzelbauten wie das zu seiner Zeit ebenfalls wegweisende Vanna Venturi House (1964), das Seattle Art Museum (1991) oder der Sainsbury Wing der National Gallery in London werden verwirklicht. 1991 bekommt Robert Venturi für das großteils gemeinsam entwickelte Werk den Pritzker-Preis. Er nimmt ihn an, weil das Büro das Preisgeld gut brauchen kann, Denise Scott Brown bleibt der Zeremonie fern. Ein Protestschreiben an das Pritzker-Preis-Kommitee bringt es auf 20.514 Unterschriften, bewirkt aber sonst nichts.

Learning from Denise

Das Architekturzentrum Wien leistet nun zumindest symbolisch Wiedergutmachung: Es widmet der Architektin, Stadtplanerin, Lehrerin und Autorin die Ausstellung "Downtown Denise Scott Brown", ihre erste umfassende Einzelpersonale. Konzept und Gestaltung stammen von Jeremy Tenenbaum mit Denise Scott Brown herself, die Schau ist für unsere Breitengrade ungewohnt leichtfüßig, humorvoll und farbenfroh. Sie stellt mit einem Café unter bunten Markisen beim Eingang, Zeitungen voller Lehrinhalte, einem überdimensionalen abstrahierten Brunnen in der Mitte, dessen querender Gang eine überraschende Begegnung mit einer Videobotschaft von Denise Scott Brown ermöglicht, eine Stadt mit Plaza nach. Das berühmte Zitat "I am a Monument" auf dem Brunnen referiert auf "Learning from Las Vegas". Wer will, kann mittels Foto-Automat das eigene Porträt über den Schriftzug projizieren lassen. Einzelne Themenbereiche werden auf Collagen, die teils in Aufnahmen realer Wiener Schaufenster montiert sind, wie Plakate in einer städtischen Szenerie gezeigt. Viele Fotos wurden von Scott Brown selbst aufgenommen: So begegnet man dem Las Vegas Strip, wie sie ihn in den 1970ern dokumentiert hat. Auch ihre Reisen durch Afrika oder den Westen der USA sind hier nachzuverfolgen. Kuratiert wurde die Schau von Angelika Fitz, der Direktorin des AzW, und Katharina Ritter. Sie zeigt, wie revolutionär Scott Brown in vielerlei Hinsicht war: Sie übte heftige Kritik an einer dogmatischen Moderne, richtete einen offenen, neugierigen Blick auf Vorhandenes, kämpfte gegen voreilige Geschmacksurteile an, fotografierte, analysierte, recherchierte, entwarf, schrieb und dachte fächerübergreifend. Mit Robert Venturi erfand sie in Las Vegas sogar ein eigenes Spiel. Es kreiste um folgende Thematik: "Mir kann etwas Hässlicheres gefallen als dir." Alle Besucher der Ausstellung sind aufgefordert, den beiden zu folgen, sich auf die Suche nach den schönsten hässlichen Dingen zu begeben und Fotos davon unter #uglyinstragram_azw zu posten.

Downtown Denise Scott Brown Architekturzentrum Wien, bis 18. März täglich 10-19 Uhr, www.azw.at

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