Respektvolle Annäherung an eine Dunkelheit

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„Dunkelheit“ und Leiden der Mutter Teresa wurden rund um ihre Seligsprechung öffentlich. Regisseurin Maria Magdalena Koller versucht dies, in einem Dokumentarfilm zu fassen.

Nein, der Lebensweg der 1910 im heute mazedonischen Skopje geborenen Albanerin Anjezë Gonxhe Bojaxhiu war keineswegs leicht. Das, was sie als „Mutter Teresa“ für die Würde der Leidenden bedeutet und konkret für die Hilfe für die Armen in Indien und anderswo geleistet hat, scheint die Möglichkeiten einer menschlichen Person zu übersteigen. Aber neben der starken, ja auf ihre Weise bisweilen auch starrsinnigen Persönlichkeit, wie sie beschrieben wird, macht spätestens seit ihrem Seligsprechungsprozess auch ein „dunkles“ Bild von Mutter Teresa die Runde: Glaubens- und Gotteszweifel, Zweifel am Tun und eine innere Leere, die vor allem in Briefen an den aus Vorarlberg stammenden und in Indien wirkenden Jesuitentheologen Josef Neuner (1908–2009), der auch ihr Beichtvater war, ans „Licht“ kommen. Einige Texte dazu sind im Buch „Komm, sei mein Licht“ (2007) zusammengestellt.

Der in Indien lebende deutsche Publizist und Grenzgänger zwischen der europäischen und indischen Kultur, Martin Kämpchen, hat in der August-Ausgabe der Münchener Zeitschrift Stimmen der Zeit ein berührendes, spirituelles Porträt von Mutter Teresa verfasst, in dem er auch auf diese dunkle Seite eingeht und darauf hinweist, dass „der Widerspruch …, dass Mutter Teresa Freude und geistliche Erfüllung ausstrahlte, von der sich zahllose Menschen berührt und verwandelt gefühlt haben, in ihrem Innern jedoch fast nur Trostlosigkeit spürte“, unauflöslich sei. Kämpchens Fazit: „Mutter Teresa war nicht (nur) die einfache Nonne, als die sie sich selbst stets darstellte.“

Der Rat von Pater Neuner, 101

Der 101-jährige Pater Josef Neuner SJ ist einer der Zeitzeugen, die Maria Magdalena Koller im Dokudrama „Mutter Teresa – Heilige der Dunkelheit“ versammelt hat. Die österreichische Dokumentarfilmerin hat das Buch „Komm, sei mein Licht“ gelesen und hat darin Zugänge zu ihrer Frage gefunden, was denn hinter dem in Interviews und TV-Dokumentationen weltweit verbreiteten Lächeln der Mutter Teresa eigentlich gesteckt ist. „Wie hält man das aus, ein derartiges großes, menschliche Kräfte übersteigendes Werk zu gründen und in Gang zu halten?“ Solche Fragen haben Koller bewegt, und es war für sie aufschlussreich, dabei auch eine einsame Frau zu entdecken, die trotzdem ihren Weg weiteregegangen ist.

Aus einem Interesse für diese Spannung, heraus gestaltete Koller ihren Dokumentarfilm, der so anders sein will als bisherige Filme über die Selige und Friedensnobelpreisträgerin 1979. Und die Regisseurin bemühte sich um die Unterstützung der „Missionarinnen der Nächstenliebe“, denn sie fühlte, so Koller im Gespräch mit der FURCHE, sie hätte sonst mit dem Film Mutter Teresa nicht gerecht werden können. Und die Zustimmung der Schwestern zum Film zu erreichen, war alles andere als leicht. Denn gerade das Thema der „Dunkelheit“ der Gründerin ist kein leichtes Thema. Und daher wurde Kollers Ansinnen zunächst abschlägig beschieden.

Vielleicht war es ja das Verständnis von Europäerin zu Europäerin, das das Projekt dann doch Wirklichkeit werden ließ: Nachdem im März 2009 die gebürtige Deutsche Schwester Prema an die Spitze des Ordens gewählte wurde (vgl. Artikel links), öffneten sich für Maria Koller auch die Türen der Ordensniederlassung in Kalkutta – und das Zutrauen der Schwestern zu ihrem behutsamen Zugang. Zahlreiche Fernsehanstalten hätten in Kalkutta angefragt, erzählt die Regisseurin, aber nur ihr gelang es auch, filmischen Zugang zu bekommen.

Eineinhalb Jahre benötigte die Filmemacherin nach der Zustimmung des Ordens, um den Film fertigzustellen, der im deutschsprachigen Fernsehen in der ORF-Religionsleiste kreuz & quer, in einem arte-Themenabend zu Mutter Teresa sowie beim ZDF laufen wird. Neben dem letzten Filmdokument mit Pater Neuner, der wenige Wochen nach den Dreharbeiten in biblischem Alter verstorben ist, beeindruckt gleichermaßen Schwester Andrea, gebürtige Deutsche und eine der ersten Gefährtinnen von Mutter Teresa. Schwester Andrea, auch schon hoch in den Siebzigern, kann noch viel von „Mutter“ erzählen und führt im Film auch in die Slums und Armenhäuser von Kalkutta, in denen die Missionarinnen der Nächstenliebe auch heute wirken.

Daneben lässt Regisseurin Koller im Film eine zweifache Sicht von außen zu Wort kommen – einerseits vom indischen Fotografen von Mutter Teresa, der, obwohl Hindu, eine herzliche Sicht auf die berühmte Nonne und spätere christliche Selige beisteuern kann. Und dann auch die Wiener Psychiaterin und Burnout-Spezialistin Margot Schmitz, die Mutter Teresa selber nicht gekannt hat, deren professioneller Blick und Einordnung der psychischen Belastungen, unter denen Mutter Teresa gestanden ist, Maria Koller wichtig war: Sie wollte ja nicht eine Devotionalie in Filmform machen, sondern auch nichtreligiösen Menschen einen Zugang zu dieser Person der Zeitgeschichte anbieten. Und dazu trage, so Koller, die Darstellung der inneren Spannungen, denen eben gerade auch Mutter Teresa unterworfen war, bei. „Mutter Teresa ist für mich so viel menschlicher, ja sogar noch größer geworden“, meint die Regisseurin gar.

Keine Devotionalie in Filmform

Dabei stand Koller auch vor der Frage, wie sie die inneren Kämpfe von Mutter Teresa, von denen es ja keine Filmaufnahmen gibt, sondern eben vor allem die Briefe an Pater Neuner, darstellen kann. Koller entschied sich für Schauspielsequenzen, in denen – völlig zurückgenommen – die „dunkle“ Mutter Teresa im Film präsentiert wird.

Koller berichtet von erfolglosem Casting von Dutzenden Schauspielerinnen, deren Spiel niemals „echt“ oder „authentisch“ war. Erst als die Wiener Produktionsfirma MR-Film in Rumänien auf die Suche ging – und zwar dort, wo auch das Team von Michael Haneke für dessen Erfolgsfilm „Das weiße Band“ fündig geworden war – konnte die richtige Laiendarstellerin gefunden werden: Maria, eine einfache Frau aus einem rumänischen Dorf, spielt im Film die stummen Spielszenen der Mutter Teresa.

Regisseurin Koller ist natürlich auch sehr gespannt, wie der Film in Kalkutta aufgenommen werden wird – sie hat ihn Mutter Prema schon übermittelt. Erst dann wird sich für sie weisen, ob ihr Konzept auch in der Wahrnehmung der „Betroffenen“ aufgeht, nämlich sich der Gestalt der Mutter Teresa respektvoll zu nähern, ohne anmaßend zu sein. Die Fernsehzuschauer hierzulande können dies bereits in wenigen Tagen tun, wenn der Film zu Mutter Teresas „Hunderter“ on air gehen wird.

Mutter Teresa – Heilige der Dunkelheit

A/D 2010. Regie: Maria Magdalena Koller

Sonntag, 22. August, 22.40, arte

Dienstag, 24. August, 22.30, ORF 2 Sonntag, 29. August, 10.15, ZDF

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