Revolution im Schmähgepinkel

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Nestroys "Freiheit in Krähwinkel" am Wiener Volkstheater.

Zuerst sind nur Beine zu sehen, später nur die Köpfe des vor sich hin summenden Volkes - mit schmalen horizontalen Bildausschnitten beginnt Johann Nestroys "Freiheit in Krähwinkel" im Wiener Volkstheater unter der Regie von Hausherr Michael Schottenberg, der selbst die Rolle des um Abonnenten kämpfenden Zeitungsherausgebers Pfiffspitz übernommen hat. Nestroys Beitrag zum Revolutionsjahr 1848 offenbart einerseits seine Sympathien für Freiheit und Bürgerrechte - er hatte ja nicht wenig unter der Zensur, die hier als jüngere Schwester der Inquisition apostrophiert wird, zu leiden -, anderseits auch seine Skepsis gegenüber den Revolutionären. Indem Nestroy den Umsturz in die Kleinstadt Krähwinkel verlegt und zwischen Karikaturen von Aufständischen und Reaktionären ablaufen lässt, gibt er ihn vor allem der Lächerlichkeit preis.

Aktueller Blick nach Paris

Schottenbergs Inszenierung, die unter anderem dadurch vom Original abweicht, dass sie den Bürgermeister zum "Kanzlerl" macht und von pinkelnden Pinschern und einer nackten Frau am Wiener Hochstrahlbrunnen träumen lässt, setzt auf Unterhaltung. Ihren aktuellen Touch verdankt sie auch den gegenwärtigen Unruhen in Frankreich - Nestroys Text nimmt explizit auf jene von 1848 in Paris Bezug. Hans Kudlichs Bühne zeigt meist karge, enge Räume aus Packpapierwänden, die teilweise der Revolution zum Opfer fallen, und weitet sich erst am Ende. Die nötige Schärfe steuert der Aufführung am ehesten der stellenweise an Karl Paryla erinnernde Hauptdarsteller Wolfram Berger als Journalist und Revolutionär Ultra bei. Die Vertreter der Obrigkeit flößen wenig Furcht ein - weder Rainer Frieb (Kanzlerl) und Paul Matic (Stadtsekretär) noch Erwin Ebenbauer (geheimer Rat Schedl) oder Alfred Rupprecht (Kommandant Rummelpuff). Als aufrührerischer Nachtwächter bleibt Christoph F. Krutzler in nachhaltiger Erinnerung.

Liebe und Revolution

Als junge Beamte sind Andy Hallwax (Siegl) und Stefan Puntigam (Wachs) vor allem am glücklichen Ausgang ihrer Liebschaften mit Ivanka Brekalo (Nachtwächterstochter Walpurga) und Katharina Strasser (Geheimsratstochter Cecilie) interessiert. Maria Bill (Emerentia) sorgt als Karikatur einer erzkonservativen Beamtengattin für Heiterkeit. Claudia Sabitzer (Frau von Frankenfrey), vom Bürgermeister begehrte lustige Witwe, landet in den Armen Ultras, der zum Abschluss Nestroysche Weisheiten aus anderen Stücken zum Besten gibt und die Reaktion zum Gespenst erklärt, vor dem man sich nicht fürchten solle. Reaktion des Publikums: lebhafter Applaus für alle Beteiligten, auch für die von Wolfgang Puschnig geleitete Begleitmusik.

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