Rezept gegen Politikverdrossenheit

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Auch wenn es danach schon viele zuvor gewusst haben wollen: Niemand hatte geglaubt, dass die Kandidatenduelle zur Nationalratswahl im ORF so erfolgreich werden, wie sie waren. Solch hohe Einschaltquoten sind einerseits nur durch das richtige inhaltliche Konzept zu erzielen und benötigen andererseits entsprechende personelle Umsetzung. Damit ist nicht nur die ansonsten oft gescholtene Ingrid Thurnher trotz Intensivierung ihrer Überstrapazierung glänzend rehabilitiert. Die Bestätigung gilt auch für die Besetzung von Peter Filzmaier und Sophie Karmasin als Analysten, denn sie erzielten oft noch höhere Reichweiten und durchwegs mehr Marktanteil als die Konfrontationen selbst.

In der Gesamtbetrachtung bedeutet dies ein Comeback für den öffentlich-rechtlichen Sender als Lagerfeuer der Nation, obwohl auch der privaten Konkurrenz von ATV und Puls 4 mit ihren Arenen und Duellen hohe Einschaltquoten gelangen. Noch mehr beweist dieser TV-Wahlkampf allerdings ein grundsätzlich vorhandenes Interesse der Bevölkerung, das den Unkenrufen über die grassierende Politikverdrossenheit widerspricht. Akteure wie Vermittler vermögen sich offenbar diesem Trend zu entziehen. Das aber verführt dazu, im Balanceakt der Rollenverteilung einen Schritt zu weit zu gehen.

Ohne mediale Deutung sind TV-Konfrontationen nur halb so zugkräftig. Um dieses Feld nicht komplett den Zeitungen zu überlassen, setzen ORF wie Mitbewerber Ad-hoc-Analysten ein. Das funktioniert prächtig. Wenn aber - wie beim Kanzlerduell - Vorabdeutung, Report-Abhandlung und Experten-Interpretation größer als das Ereignis selbst erscheinen, ist es zu viel des Guten. Dann überzieht das Medium den Anspruch, seinem Publikum zu erklären, was dieses denkt. Wo dem Zuschauer kaum Nischen für eigene Gedanken bleiben, wirkt das Erfolgsrezept überreizt.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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