Am 12. Oktober gedenkt man in der Münchener Universität des Widerstands der "Weißen Rose" gegen Adolf Hitler. Dabei werden auch Werke von Richard Wagner gespielt. Nicht alle erfreut das. "Euphorie und Unbehagen" sind die richtigen Begriffe, um die Reaktionen auf diesen genialen Komponisten und Antisemiten mit der bizarren Ideologie zu beschreiben. Das ist auch die Überschrift, unter der im Jüdisches Museum Wien bis 16. März 2014 den Ansichten des Bayreuther Meisters nachgegangen wird.
Klar ist: bei Wagners Judenhass handelt es sich nicht um einen kleinen Denkunfall. Er selbst hat sein zunächst unter Pseudonym veröffentlichtes Pamphlet "Das Judentum in der Musik" angereichert und den Gesammelten Schriften eingefügt. Seine Urenkelin Nike Wagner hat ihn kürzlich als "miesen Charakter, Rosstäuscher und Rassisten" beschrieben und gefragt, wie so jemand so wundervolle Musik schreiben konnte.
Und doch finden sich unter der Schar glühender Wagnerianer von Anfang an unzählige Juden - im Zuschauerraum wie auf der Bühne. Die Uraufführung des "Parsifal" stand unter Stabführung von Hermann Levi, den Wagner sehr schätzte. Leonard Bernstein sagte von Wagner, er hasse ihn, aber er hasse ihn auf seinen Knien. Als Künstler war Wagner kompromisslos. Seine Kraft liegt in seinem Material: den Mythen. Sie eröffnen stets neue Deutemöglichkeiten und wirken auf die Fantasie. So bleibt Wagner der große Verführer. Theodor W. Adorno nennt ihn "phantasmagorisch" - lt. Duden: "ausgefallen, bizarr, fantastisch, geisterhaft, gespenstisch". All das ist Wagner. Und noch viel mehr. Der Präsident der israelischen Wagner Society, Jonathan Livny sagt: "Niemand, auch nicht die Überlebenden des Holocaust, haben das Recht, uns das Hören seiner Musik zu verbieten. Aber für Richard Wagner als Person haben wir keinen Respekt. Er war moralisch widerwärtig, aber er schrieb göttliche Musik."
Der Autor ist Rabbiner und leitet das Abraham-Geiger-Kolleg an der Universität Potsdam
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