Rien ne va plus

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Die Kasinoindustrie steckt in einer tiefen Krise. Nach Macau ist nun auch Las Vegas betroffen. Haben sich die Betreiber verpokert? Eine globale Bestandsaufnahme.

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Die Kasinoindustrie steckt in einer tiefen Krise. Nach Macau ist nun auch Las Vegas betroffen. Haben sich die Betreiber verpokert? Eine globale Bestandsaufnahme.

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David Beckham verlässt den Privatjet und steigt in eine Limousine. Unter dem Blitzlichtgewitter der Paparazzi betritt er ein Luxushotel, wo er zur Hauptattraktion eines Maskenballs wird. Der Fußballstar ist das Gesicht einer Werbekampagne des "Venetian", Macaus größtem und mondänstem Spielkasino. 800 Spieltische und 400 Geldspielautomaten gibt es in dem sechstgrößten Gebäude der Welt, hinzu kommen 2900 Suiten, zwei Ballsäle und eine Arena für 15.000 Zuschauer. Es ist ein gigantischer Konsumtempel.

Im Zentrum des Spiels

Macau ist das größte Zentrum für Glücksspiel weltweit, noch vor Las Vegas in den USA und Monte Carlo in Europa. Überall leuchten Spielhöllen, die Stadt ist ein einziger Sündenpfuhl. Blinkende Slotmaschinen, helle Deckenstrahler und das permanente Geklingel der Spielautomaten lassen den Besucher das Gefühl für Zeit und Raum verlieren. 34 Millionen Touristen kamen letztes Jahr nach Macau, davon allein 20 Millionen Festlandchinesen, die ihr Geld bei Black Jack, Fan-Fan oder einer der zahlreichen Sportwetten liegen lassen. Wenn es um Glücksspiel geht, beginnt chinesisches Blut zu kochen. Jahrzehntelang gab es kaum andere Freizeitbeschäftigungen als Kartenspiele. Nur in Macau dürfen die Chinesen so, wie sie wollen. Denn die Sonderverwaltungszone ist der einzige Teil Chinas, in dem Glücksspiel legal ist. Entsprechend maßlos zocken die Chinesen. Allein, der Rubel rollt nicht mehr wie früher. Im Juni dieses Jahres sind die Einnahmen aus dem Kasino-Geschäft im zwölften Monat in Folge gesunken. Experten schätzen, dass die Einnahmen bis Jahresende auf 12 Milliarden Dollar sinken werden. Zum Vergleich: 2013 waren es noch 45 Milliarden Dollar.

Seit Jahren drängt die kommunistische Staatsführung darauf, dass die Sonderverwaltungszone ihre Wirtschaft diversifiziert, das heißt vor allem den Tourismus-Sektor ausbaut. Als Chinas Staatspräsident Xi Jinping im Dezember anlässlich des 15. Unabhängigkeitstags der ehemaligen portugiesischen Enklave nach Macau reiste, forderte er die Provinzregierung auf, die Kasino-Industrie schärfer zu regulieren. Peking ist zunehmend besorgt über die Geldwäsche, Korruption und drohende Kapitalflucht. Die Regierung will härter gegen illegale Geldgeschäfte durchgreifen. Staatschef Xi Jinping hat der Korruption den Kampf angesagt. Im Visier sind dabei vor allem die sogenannten Junkets. Diese Junkets sind eine Art Kommissionär, die die Glücksspielreisen organisieren und die Spieler mit Krediten versorgen. Die Mittelsmänner begleiten die Zocker mit in den VIP-Raum und kassieren vom Kasino eine stattliche Provision. Es ist ein undurchsichtiges Geschäft mit diversen Verstrickungen ins Mafia-Milieu. In den 1990er Jahren gab es blutige Kämpfe um die begehrten VIP-Tische zwischen rivalisierenden Banden, auch bekannt als Triaden. Die Regierung hat als erste Maßnahme gegen die organisierte Kriminalität die Visa-Bestimmungen verschärft und Kreditkarten-Nutzung eingeschränkt. Das wirkt sich auch auf die Touristenströme aus: Die Zahl der Besucher fiel letztes Jahr um 3,6 Prozent. Gleichzeitig sind die Übernachtungspreise in die Höhe geschossen: Hotelzimmer für 350 Dollar die Nacht sind keine Seltenheit.

Las Vegas in der Krise

Die Krise ist mittlerweile auch in Las Vegas angekommen. Auf dem "Strip" sind die Erlöse aus dem Glücksspiel im Juni im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent auf 446 Millionen Dollar gesunken. Allein die Einnahmen aus Baccara, einem Kartenspiel, bei dem mit hohen Einsätzen gespielt wird, sind um fast um die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Alex Bumazhny, Analyst bei der Rating-Agentur Fitch, sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: "Baccara macht 20 Prozent der Einnahmen auf dem Strip aus und wird vor allem von Asiaten gespielt. Die Glücks- und Besuchsmuster sind erheblichen Schwankungen unterworfen. Vor diesem Hintergrund verstärken die Antikorruptionsmaßnahmen in Macau diese Volatilität." Die beiden Standorte sind eng miteinander verflochten. Das berühmte "Venetian" gehört dem US-Milliardär Sheldon Adelson. Dessen Imperium "Las Vegas Sand" erzielt 50 Prozent seines Umsatzes in Macau. Die Krise in Macau wird damit auch zur Krise in Las Vegas.

Im Mai wurde nach 60 Jahren das berühmte Riviera-Casino geschlossen, wo schon Legenden wie Frank Sinatra und Dolly Parton auf der Bühne standen und Kinofilme wie "Casino" oder "Hangover" gedreht wurden. Das Haus wird nun abgerissen. Die Caesars Entertainment Corp, einst die größte Glücksspielgesellschaft, musste Insolvenz anmelden. Auch Atlantic City, das Zockerparadies an der amerikanischen Ostküste, steckt im Schlamassel. Vier der insgesamt 12 Spielbanken mussten vergangenes Jahr schließen, ein Drittel der insgesamt 8000 Jobs fiel weg. In der Folge blieben auch die Steuereinnahmen aus: Die Stadt hat ein Haushaltsdefizit von 101 Millionen Dollar angehäuft. Der Gouverneur des Bundesstaats New Jersey, Chris Christie, lancierte einen Hilferuf. Es war eine Bankrotterklärung: Die Stadt hat sich verzockt.

"Die Schließungen in Atlantic City spiegeln die Tatsache wider, dass die Stadt ein Überangebot an Komfortkasinos hat", analysiert Bumazhny. "Die Betreiber gingen lange davon aus, dass die wirtschaftliche Erholung von der Rezession und Legalisierung der Online-Spiele die Nachfrage erhöht. Doch es wurde schnell klar, dass die Zuwächse aus dem Aufschwung und den Online-Spielen nicht ausreichten, um die weniger profitablen Kasinos weiter am Laufen zu halten. Gut möglich, dass wir in der nächsten Zeit weitere Schließungen sehen werden." Global gesehen sei die Glückspielindustrie zwar gesund, aber auch gesättigt.

Chinesische Schatten

Las Vegas könne seine Tradition als Zocker-Eldorado weiter fortsetzen, weil es sich nicht allein auf Glücksspiel konzentriert. Das sieht auch Chris Jones, Analyst bei der Union Gaming Group. "Das Geschäft in Las Vegas ist hinreichend diversifiziert." In der Wüstenstadt in Nevada gibt es neben zahlreichen Messen wie der Consumer Electronics Show auch Entertainment -die Spielbanken machen lediglich 37 Prozent des Umsatzes aus. Insoweit könne die Stadt Verluste aus dem Kasinogeschäft besser aufwiegen. "Die Betreiber sind in der Lage, ihr Geschäftsstrategie an das Umfeld anzupassen", so Jones. Anders sieht die Lage in Macau aus: Die Sonderverwaltungszone generiert ihre Einnahmen fast ausschließlich mit Glücksspiel. "Die Betreiber sind nicht breit genug aufgestellt und stehen enorm unter Druck", sagt Jones. Macau ist zudem abhängig vom Großraum Guangdong, mittlerweile die größte Agglomeration der Welt, die das Rückgrat der chinesischen Wirtschaft bildet. Gehen die Exporte und die Wirtschaftsleistung zurück, bekommt das auch Macau zu spüren. Der neuerliche Kurzsturz an Chinas Börsen dürfte nicht gerade zu einer Stabilisierung des Marktes beitragen. Schaffen es die Kasinobetreiber nicht, sich anderen Geschäftsfeldern wie dem Tourismus zu öffnen, dürfte es bald heißen: Rien ne va plus. Nichts geht mehr.

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