Rücktritt einer engagierten Kämpferin

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Maria Jepsen ist zurückgetreten. Die evangelisch-lutherische Bischöfin von Hamburg, die seit 1992 im Amt war, gab diesen Schritt am vergangenen Freitag bekannt, nachdem gegen die 65-jährige Theologin der Vorwurf erhoben wurde, sie sei Hinweisen auf sexuellen Missbrauch von Jugendlichen durch einen Pastor aus Ahrensberg nicht energisch genug nachgegangen. „Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt. Von daher sehe ich mich nicht in der Lage, die frohe Botschaft so weiterzusagen, wie ich es bei meiner Ordination und bei meiner Bischofseinführung vor Gott und der Gemeinde versprochen habe“, erklärt Jepsen.

Jepsen sei mehrfach auf diesen Fall, der sich zwischen 1979 und 1984 abgespielt hat, hingewiesen worden, geben Zeugen zu Protokoll. Jedoch sei von Missbrauch nie die Rede gewesen, sonst hätten bei ihr sofort die Alarmglocken geläutet, erklärt die zurückgetretene Bischöfin. Jepsen wurde wohl zweimal über den Fall informiert, doch immer nur am Rande von Veranstaltungen und mit unzureichenden Details. Erst durch einen Brief im März dieses Jahres, in dem ein Opfer noch einmal ausführlich schilderte, was ihr angetan wurde, habe sie alle Details der Missbrauchsaffäre erfahren – und wurde sofort aktiv. Das Kirchenamt leitete eine Untersuchung ein, dem sich bereits im Ruhestand befindlichen Pastor und seinen Kollegen, die ihn gedeckt haben, droht eine Verurteilung in einem Disziplinarverfahren. In einem Interview sagte Maria Jepsen, sie könne nicht verstehen, weshalb ihr damals niemand aus Ahrensburg ausführlich über den Fall berichtet habe.

Jepsen hat also die Konsequenzen gezogen. Ein Schritt, der zu respektieren ist und Respekt einbringt. Auch wenn niemand diesen Schritt von ihr gefordert hat. „Der Rücktritt weist Parallelen zu dem Margot Käßmanns im Februar auf: Leitende evangelische Geistliche meinen, sie müssten sich an beinahe hypermoralischen Ansprüchen messen lassen, die sich von den Maßstäben des bürgerlichen Lebens entfernen. Mit dem Rücktritt Käßmanns und dem öffentlichen Echo hat sich in der evangelischen Kirche ein Mechanismus etabliert, an dem auch künftige Geistliche scheitern werden“, kommentiert die FAZ Jepsens Rücktritt. Und ihr Kollege im Bischofsamt, Gerhard Ulrich, erklärt: „Durch diese Personalisierung werden die eigentlichen Missbrauchstaten verdeckt und die dafür Verantwortlichen geraten aus dem Blick.“

Dabei hat alles so gut begonnen: Maria Jepsen war 1992 weltweit die erste Frau, die zu einer lutherischen Bischöfin gewählt wurde. Die 1945 in Bad Segeberg geborene Theologin begann ihre Arbeit 1970 als Gemeindepastorin am Land, engagierte sich aber mehr und mehr in der innerkirchlichen Gremienarbeit. 1991 wurde sie als erste Frau in ihrer nordelbischen Landeskirche zur Pröpstin gewählt.

Jepsen war in ihrer nordelbischen Kirche, einer der liberalsten Landeskirchen in Deutschland, außerordentlich beliebt. Die zierliche und auf den ersten Blick unscheinbare Frau war eine engagierte Kämpferin für die Rechte der Homosexuellen und forderte die Segnung homosexueller Partnerschaften. Sie war eine leidenschaftliche Vertreterin der feministischen Theologie – ihr Feminismus ist derjenige der ersten Generation. Ihr Einsatz für Unterdrückte und Arme machte sie bei vielen Menschen in Deutschland und darüber hinaus bekannt und beliebt.

Man hätte der 65-Jährigen einen anderen Abschied aus dem Amt gewünscht.

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