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Ich weiß nicht, wann es angefangen hat, seit einigen Jahren ist es jedenfalls erzblöder Brauch: Wo immer Sportler bei internationalen Wettkämpfen antreten, um zu ermitteln, wer von ihnen etwas am schnellsten, höchsten oder weitesten kann, wird dem, der es zuwegebrachte, flugs eine Fahne in die Hand gedrückt. Sie haben noch kaum durchgeatmet, schon hetzt sie jemand auf eine Ehrenrunde, mit der nicht sie, sondern Staat und Nation gefeiert werden, die sie mittels umgehängter oder geschwenkter Flagge repräsentieren. Gewiss, es gibt Schlimmeres als solch gezähmten Nationalismus, aber ein wenig befremdet es mich immer noch, die Sportler, die mir übers Jahr als bewegliche Werbeflächen vertraut wurden, mit einem Mal als patriotische Fahnenstangen zu sehen.

Umso mehr erfreute mich eine kleine Szene bei der Siegeszeremonie im Eiskunstlauf der Männer. Auf der obersten Stufe des Podestes stand der Russe Jewgeni Pluschenko, der Konkurrenz um einige Dreifachsprünge und viele elegante Tanzschritte überlegen, ihm zur Seite als strahlender Gewinner der Silbermedaille der junge Schweizer Stéphane Lambiel. Aber was geschah, als in der Eishalle feierlich die russische Hymne erklang? Pluschenko blickte mit fischkalter Siegermiene ungerührt ins Stadionrund wie vorher, Lambiel aber begann haltlos zu schluchzen. Es war nicht die Schweizer, es war die russische Hymne, die ihn so rührte, es hätte jede beliebige Hymne sein können, die solch große Bewegung in dem sympathischen jungen Mann bewirkte.

Das gibt Anlass zur Hoffnung - und zu einem Vorschlag von mir: Könnte man die Hymnen, die gespielt, und die Flaggen, die den Siegern gereicht werden, nicht so wie die Startnummern einfach auslosen? Völkerverbindende Spiele: die amerikanische Mannschaft im Viererbob winkt den Kameras ausgelassen mit der kubanischen Flagge zu und beginnt programmgemäß bei der chinesischen Hymne zu schluchzen.

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